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Wolfgang Stüken – Seite 4 – Deutsch-Amerikanischer Freundeskreis Paderborn – Belleville e.V.Springe zum Inhalt
Bellevilles früherer Bischof hält Einzug ins Kardinalskollegium
Freude unter Katholiken im Hauptstadt-Erzbistum der USA, Glückwünsche aus Paderborns Partnerstadt Belleville (Illinois) und zufriedene Gesichter im großen Chicago und in dem kleinen Ort Mundelein (ebenfalls Illinois): Papst Franziskus wird am 28. November, dem Vortag des 1. Advent, den Washingtoner Erzbischof Wilton Daniel Gregory gemeinsam mit 12 weiteren Geistlichen aus der Weltkirche in einer feierlichen Zeremonie (Konsistorium) in das Kardinalskollegium aufnehmen. Gregory war von 1994 bis 2003 Bischof von Belleville. Mehrere Besuchergruppen aus Paderborn haben ihn während seiner Amtszeit in der Partnerstadt erlebt.
Gregory stammt aus Chicago. Wenige Tage nach dem feierlichen Konsistorium in Rom vollendet er am 7. Dezember sein 73. Lebensjahr. Gregory ist der erste afroamerikanische Kardinal der USA. Bis zur Vollendung des 80. Lebensjahres ist Gregory als Kardinal berechtigt, nach dem Tod oder einem Rücktritt von Papst Franziskus (83) an der Wahl des Nachfolgers mitzuwirken.
Zuletzt hatte Gregory seine ehemalige Wirkungsstätte Belleville am 22. Juli dieses Jahres besucht. Als einer von 20 Gastbischöfen nahm er an der Bischofsweihe und Amtseinführung des neuen Belleviller Bischofs Michael George McGovern (56) teil. In der Kathedrale St. Peter galten für die Teilnehmer am Festgottesdienst Corona-Beschränkungen. Das Bistum Belleville, das sich über die 28 Kreise des südlichen Illinois erstreckt, zählt rund 120.000 Katholiken in 108 Pfarreien. Am Tage der Bekanntgabe der Kardinalsernennung durch den Papst (25. Oktober) zählte McGovern zu den ersten Gratulanten und übermittelte Gregory im Namen der Priester und Gläubigen, die Gregory in großer Zuneigung verbunden seien, die Glückwünsche des Bistums Belleville. Belleville’s neuer Oberhirte sprach von einer „wunderbaren Nachricht“ aus Rom.
Der 1947 geborene Gregory wuchs mit zwei Schwestern in der armen South Side von Chicago auf. Die Mutter war Sängerin, der Vater verdiente sein Geld in der elektronischen Datenverarbeitung, die noch in den Kinderschuhen steckte. Die Eltern, die sich nach ein paar Jahren trennten, waren nicht religiös. Aber sie hatten früh den Sinn ihrer Kinder für soziale Gerechtigkeit geschärft. Eine Großmutter übernahm die Erziehung. Als elfjähriger Schüler einer Pfarrschule trat Wilton D. Gregory in die katholische Kirche ein. Bald reifte in ihm der Wunsch, Priester zu werden. Seine Ausbildung zum Priester führte ihn unter anderem nach Mundelein an die University of St. Mary of the Lake und in das dortige Mundelein-Seminary. Hier, rund eine Autostunde von Chicago entfernt, lassen heute mehr als 30 amerikanische und außeramerikanische Diözesen ihre Priester ausbilden. Der Name des Ortes und des Seminars geht auf den Chicagoer Erzbischof George William Mundelein (1872-1939) zurück. Er war der in New York geborene Enkel eines Amerika-Auswanderers der Paderborner Familie Mündelein. Aus dieser Familie ging auch der westfälische Kirchenbaumeister Franz Mündelein (1857-1926) hervor.
Belleville’s Städtefreundschaft mit Paderborn begleitete Wilton D. Gregory mit großem Wohlwollen. 1996 und 1998 hieß er mit herzlichen Worten Besuchergruppen aus der deutschen Sister City in der Kathedrale St. Peter willkommen, darunter 1998 auch den damaligen Bürgermeister Wilhelm Lüke. 2002 empfing er auch dessen Nachfolger Bürgermeister Heinz Paus, als dieser eine Reise nach Belleville unternahm.
Während seiner Bischofsjahre in Belleville wurde Gregory von 2001 bis 2004 als erster schwarzer Bischof an die Spitze der US-amerikanischen Bischofskonferenz gewählt. Schon drei Jahre zuvor hatte er – ebenfalls von Belleville aus – das Amt des Vizepräsidenten dieser Konferenz übernommen. In diesen Jahren unternahm er wichtige Schritte im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch in der Kirche. Auch in seinem Bistum Belleville wurden eine Reihe von Missbrauchsfällen aufgedeckt. In der Bischofskonferenz entwickelte sich Gregory angesichts der häufig schleppenden Aufarbeitung solcher Fälle zur treibenden Kraft für den Erlass strenger Normen der kirchenrechtlichen Bestrafung von Priestern, die zu Tätern geworden waren, und der Präventionsarbeit zum Schutz Minderjähriger. Die „Charter for the Protection of Children und Young People“, die von Gregory mitformuliert und 2002 vom Vatikan anerkannt wurde, dient anderen Bischofskonferenzen bis heute als Vorbild.
Der Terminkalender des viel gefragten und geforderten Bischofs machte einen Strich durch Überlegungen, eine schriftlich übermittelte Einladung des früheren Paderborner Erzbischofs Johannes Joachim Degenhardt zum Liborifest 1999 oder 2000 nach Paderborn anzunehmen.
Nach seiner Priesterweihe 1973 und der anschließenden Fortsetzung seiner theologischen Studien im Rom, die er mit einem Doktortitel abschloss, war Gregory im Erzbistum Chicago als Seelsorger zweier Gemeinden tätig. Er kehrte als Dozent für systematische Theologie an die Universität St. Mary of the Lake in Mundelein zurück (1977-1984) und wurde 1983 zum Weihbischof von Chicago ernannt. Wiederum ein Jahrzehnt später erfolgte durch Papst Johannes Paul II. seine Ernennung zum Bischof von Belleville. 1995 war in der Paderborner Partnerstadt die Amtseinführung. Anfang 2005 – wieder war ein Jahrzehnt vergangen – wechselte er als Erzbischof in die mit rund einer Million Katholiken erheblich größere Erzdiözese Atlanta im US-Bundesstaat Georgia.
Mit seinen Positionen zur Abtreibungsproblematik, zur Todesstrafe und zu Fragen von Armut und Umwelt lag Gregory nicht auf der Linie von Papst Johannes Paul II. Daher wurde seine Versetzung nach Atlanta von manchen Insidern der Kirche als eine Art „Verbannung ins Exil“ (Domradio Köln) betrachtet.
Als in Deutschland der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wegen der explodierenden Baukosten seines Bischofshauses im Herbst 2013 seinen Amtsverzicht erklärte, ging diese Nachricht um die Welt. US-Medien warfen 2014 die Frage auf, welchen Wohn-Luxus sich denn US-amerikanische Bischöfe leisten. Und der Erzbischof von Atlanta geriet in den Blick. Wilton D. Gregory hatte erst wenige Monate zuvor eine im Tudor-Revival-Stil errichtete neue, 2,2 Millionen teure Bischofsresidenz bezogen. Sein Erzbistum hatte das Gebäude auf einem Grundstück errichten lassen, das Joseph Mitchell, ein 2011 verstorbener Neffe der Autorin des Südstaaten-Epos „Vom Winde verweht“ (1936), Margaret Mitchell, der Kirche vermacht hatte. Die kurze, heftige Diskussion um die bischöflichen Wohnverhältnisse, die in Atlanta losbrach, war rasch vom Winde verweht; denn Wilton D. Gregory entschuldigte sich öffentlich, ließ den Neubau mit seinen ausgedehnten Empfangs- und Sitzungsräumen verkaufen und zog in eine erheblich bescheidenere Stadtwohnung um. Die Welt und die Kirche hätten sich verändert, räumte er angesichts des Armut predigenden Papstes einen Fehler ein.
Seiner weiteren bischöflichen Karriere tat das langfristig keinen Abbruch. Als Papst Franziskus Gregory im Frühjahr 2019 zum Erzbischof von Washington (650.000 Katholiken) ernannte, hieß es in Medienberichten, das Kirchenoberhaupt habe „einen Vertrauten mit Durchsetzungsvermögen“ und einen „Hoffnungsträger“ der Kirche der Vereinigten Staaten in der US-Hauptstadt installiert. Und einen „profilierten Kämpfer“ gegen sexuellen Missbrauch. Seinem Amtsvorgänger Kardinal Donald Wuerl wurden Vertuschungen in dessen Zeit als Bischof von Pittsburgh (Pennsylvania) und Schweigen zu sexuellen Vergehen seines Vorgängers in Washington, Theodor McCarrick, vorgeworfen.
Unter streng konservativen Katholiken ist Washington’s neuer Erzbischof, der wie sein zwei Jahre jüngerer Chicagoer Bischofskollege Kardinal Blase Joseph Cupich als progressiver und liberaler Gefolgsmann des Papstes gilt, wegen seiner Haltung zu Abtreibung und Homosexualität allerdings nicht unumstritten.
Schon bei seiner Ernennung zum Washingtoner Erzbischof 2019 wurde Gregory von der einflussreichen Washington Post mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und Ex-Senator von Delaware, Joe Biden, dem am 3. November 2020 zum neuen US-Präsidenten gewählten Katholiken verglichen – allgemein beliebt und aufgeschlossen gegenüber Minderheiten in seiner Kirche.
Mit Bidens umstrittenem und abgewähltem Amtsvorgänger Donald Trump hatte Gregory nichts am Hut. Am Tag nach Trumps spektakulärem „Bibelauftritt“ vor einer anglikanischen Kirche in der Nähe des Weißen Hauses am 1. Juni – den Weg dorthin ließ sich der „defekte Messias“ (Die Zeit) durch Sicherheitskräfte nach gewaltsamer Vertreibung friedlicher „Black-Lives-Matter“-Demonstranten bahnen –, stattete der Wahlkämpfer, auf Stimmen katholischer Wähler und christlicher Nationalisten abzielend, mit „First Lady“ Melania einer mehr als drei Meter hohen Bronzestatue des 2014 heilig gesprochenen Papstes Johannes Paul II. an der Washingtoner Harewood Road einen Besuch ab, um dort einen Kranz anzubringen. Die Statue steht vor einer modernen, kirchenähnlichen Gedenk-, Gebets- und Wallfahrtsstätte (Saint John Paul II National Shrine), in der – ähnlich wie seit 2017 im Paderborner Dom – eine Blutreliquie des 2005 verstorbenen Papstes aufbewahrt wird.
Der Shrine wird von den Kolumbusrittern (Knights of Columbus), einer der größten römisch-katholischen Laienvereinigungen für Männer, betrieben. Innerkirchlich gelten diese Ritter als „Rechtsaußen“. Das Wahlkampteam Trumps hatte neben Medienvertretern auch Washingtons Erzbischof Gregory zu dem Termin am Papst-Denkmal eingeladen. Gregory sagte jedoch wegen anderer Terminverplichtungen ab.
Einen Tag nach dem spektakulären Posieren des Präsidenten mit der Bibel gab es für Gregory keinerlei Zweifel, welche Absicht Trump an der Johannes-Paul-II-Statue verfolgte. In einem vom Erzbistum Washington am 2. Juni verbreiteten Statement bezeichnete Gregory es als „verwirrend und verwerflich“, dass eine katholische Einrichtung (der von den Kolumbusrittern betriebene Shrine) es zulasse, auf so „ungeheuerliche Weise missbraucht und manipuliert zu werden“. Papst Johannes Paul II. sei ein leidenschaftlicher Streiter für Menschenwürde gewesen, erklärte Gregory. Er hätte es gewiss abgelehnt, Tränengas gegen Demonstranten einzusetzen, um Trump damit einen Fototermin vor einer Kirche zu ermöglichen, spielte der Erzbischof dessen Kurzbesuch an der Saint John’s Episcopal Kirche am Tag zuvor an. Ein Sprecher des Weißen Hauses konterte, es sei „schändlich“, dass der Erzbischof von Washington ,,den tiefen Glauben und die Motive des Präsidenten infrage stellt“.
„Die Berufung des ehemaligen Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz ins Kardinalskollegium, das den nächsten Papst wählt, mag als Wink an die US-Katholiken verstanden werden, ihre Entscheidung am 3. November gut zu überdenken. Mit der Nominierung des ersten schwarzen Kardinals in der US-Geschichte gibt Franziskus jedenfalls klar zu erkennen, wo er steht,“ kommentierten die Stuttgarter Nachrichten die eine Woche vor der Präsidentschaftswahl bekannt gegebene Nominierung Gregory’s zum Kardinal durch den Papst. Für das Kölner Domradio war klar: „Der Papst setzt ein Zeichen über den US-Wahlkampf hinaus.“
Das Internet-Portal Vatican-News über den designierten neuen Kardinal: „Der in Chicago geborene Afroamerikaner gilt als Mann der leisen Töne, der ebenso überzeugungsstark wie integrativ ist.“ Wolfgang Stüken
Thanksgiving-Feier abgesagt Vielleicht ein „Dinner to go“
Der November-Stammtisch: Kurzfristig abgeblasen wegen der neuen Zwangspause für die Gastronomie. Und nun steht aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen beim Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis (DAFK) auch das größte Jahresfest, das traditionelle Thanksgiving-Dinner am vierten Donnerstag im November (in diesem Jahr der 26. November) im Fischteiche-Restaurant vor dem Aus. „Schweren Herzens“ hat DAFK-Präsident Heiner Sprenkamp in einer Rundmail an die Mitglieder jetzt diese Zusammenkunft abgesagt.
Gemeinsam mit Restaurant-Geschäftsführer und Küchenchef Dirk Tschischke werde aktuell überlegt, für Mitglieder des Freundeskreises ein „Thanksgiving-Dinner to go“ anzubieten, informierte Sprenkamp. Dazu sollen zeitnah weitere Informationen folgen. Tschischke ist Mitglied des DAFK.
Seit der ersten Corona-Zwangspause im Frühjahr hat es bis zum jetzigen „Lockdown light“, der am 2. November begann, bereits wieder einige Aktivitäten gegeben. Der Vorstand sei stolz, dass im September ein gelungenes Dogwoodfest mit der Fahrt zur Sauerländer Edelbrennerei nach Rüthen-Kallenhardt gefeiert werden konnte.
Für die Teilnehmer des Jugendaustausches, die eigentlich im Sommer Freunde aus Belleville in Deutschland erwartet hatten und die Austauschschüler, die im August für drei Monate in die Partnerstadt im Mittleren Westen reisen wollten und durch die Corona-Reisebeschränkungen gestoppt wurden, konnte im Haxterpark ein Schnupperkurs Golf organisiert werden. Diese Jugendlichen hätten auf digitalem Weg über die sozialen Netzwerke Freundschaft mit den jungen Amerikanern und ihren Familien geschlossen „und festigen so unsere Kontakte in die Partnerstadt“, beschreibt Sprenkamp die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.
Großen Anklang fand auch der Besuch der – inzwischen beendeten – Rubens-Ausstellung im Diözesanmuseum. Sprenkamp: „Ein Highlight.“ Wegen der Corona-Bestimmungen erfolgte die Führung in drei kleineren Gruppen. Anschließend trafen sich die Teilnehmer zu Kaffeegesprächen im Café Markt 5. Auch fünf monatliche Stammtische konnten seit Juni durchgeführt werden.
„Endlich hielt Belleville offiziell Einzug in das Paderborner Straßenverzeichnis“, freut sich der Präsident über die inzwischen von Mitarbeitern der Stadt aufgestellten beiden Schilder der „Belleville-Promenade“ im Haxthausengarten. Die Fläche des ehemaligen Haxthausenhofes gehört zu dem inzwischen mehrfach mit Gestaltungspreisen bedachten Mittleren Paderquellgebiet. Die Namensgebung „Belleville-Promenade“ war im August einstimmig vom Ausschuss für Bauen, Planen und Umwelt des Rates auf Vorschlag des DAFK und auf Empfehlung des Paderborner Heimatvereins einstimmig beschlossen worden. Die „Belleville-Promenade“ ist eine bislang namenlose Wegeverbindung zwischen der Mühlenstraße und der Paderhalle am Maspernplatz. Ein Termin für die offizielle Feier zur Widmung der Belleville-Promenade wird für das kommende Jahr angepeilt. Gefeiert werden soll möglichst gemeinsam mit Gästen aus der amerikanischen Partnerstadt. Und möglichst ohne Einschränkungen durch Corona.
In der Austausch-Auszeit wurde Golf „geschnuppert“
„Ich glaub, ich habe einen Sport für mich gefunden,“ sagte einer der Teilnehmer hoch zufrieden. 14 junge Leute folgten der Einladung des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises zu einem zweistündigen Schnupperkurs Golf auf der Anlage des Universitäts-Golfclubs Paderborn im Haxterpark. Unter Anleitung der Trainer Michelle und Jakob erhielten sie, aufgeteilt in zwei Gruppen, eine unterhaltsame Einführung in die Grundtechniken dieses Sports – und hatten dabei eine Menge Spaß. Von oben lachte die Sonne. Auf der Driving Range, dem Übungsgelände der Golfakademie, konnten die Jugendlichen das Bälleschlagen und Putten ausprobieren. Im sogenannten „kleinen Spiel“ war Gelegenheit, das Erlernte gleich unter Beweis zu stellen. Vorstandsmitglied Uta Hoischen, die Jugendbeauftragte des DAFK hatte die Idee, auf diese Weise den Kontakt unter den Jugendlichen des Freundeskreises zu fördern, und in der Corona-bedingten Auszeit für den Schüler und Jugendaustausch zwischen beiden Partnerstädten für eine kleine Abwechslung zu sorgen. Der Schnupperkurs solle dazu beitragen, „dass wir uns nicht aus den Augen verlieren“, sagte sie. Eigentlich wollten seit August vier Oberstufenschüler aus dem Kreis Paderborn für drei Monate Highschools in Belleville (Illinois) und im Nachbarort Freeburg besuchen. Und auch aus dem diesjährigen Jugendaustausch, der im Juli 12 junge Leute aus Belleville und zwei Betreuer für drei Wochen nach Paderborn bringen sollte, wurde nichts. Ihre Paderborner Gastfamilien halten über die sozialen Netzwerke Kontakt in die USA und hoffen, dass der Austausch im kommenden Jahr nachgeholt werden kann., Diese Hoffnung äußerte auch DAFK-Präsident Kurt-Heiner Sprenkamp, der gegen Ende des Schnupperkurses eine Reihe von Eltern auf der Außenterrasse des Gasthauses Haxterpark willkommen hieß.
„Fast wie in Colorado“, ließ DAFK-Präsident Kurt-Heiner Sprenkamp vergnügt das Erlebte des Tages Revue passieren, und schaute auf eine Schar zufriedener Fahrgäste, die im Bus heimwärts kutschierten. Ihre Route führte allerdings nicht am Fuß schneebedeckter Rocky Mountains entlang, sondern zurück aus dem Land der „Thousand Mountains“ – Richtung Paderborn. „Thousand Mountains“ – so heißt eine Whisky-Marke aus dem „Land der tausend Berge“. Die Destillerie des feinen Tropfens befindet sich am Rande des Sauerlandes. Das ist für gute Bierbrauereien international bekannt; als Heimat deutschen Whiskys ist das „Land der tausend Berge“ erst seit ein paar Jahren dabei, unter Liebhabern feiner Tropfen zu punkten. Zum Beispiel im Ortsteil Kallenhardt der Stadt Rüthen im Kreis Soest. Hier ist die „Sauerländer Edelbrennerei“ zu Haus. Und dorthin zog es die mehr als 20köpfige Gruppe des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises Paderborn-Belleville (DAFK). Der holte mit dieser frühherbstlichen Besichtigungstour sein im Frühjahr wegen Corona ausgefallenes Dogwood-Fest nach. Dr. Thomas Leniowski aus der Geschäftsführung des Familienunternehmens erwies sich als kenntnisreicher und humorvoller Führer durch die Welt edler Brände, die in Kallenhardt in Handarbeit aus Naturprodukten und frei von Zusätzen hergestellt werden.
Am Anfang stand in den 1990er Jahren eine Ausflugsfahrt von Mitgliedern der beiden befreundeten Kallenhardter Familien Wolfkühler und Mülheims, die zu mehreren süddeutschen Obstbrennereien führte. Dort gab es eine Menge Kostproben, und der Trip geriet zu einer kopfschmerzreichen und teilweise von ziemlicher Übelkeit geprägten Erlebnisreise. Nie wieder, könnte man denken. Diese Fahrt jedoch führte zu dem Entschluss, eine eigene Brennerei zu gründen, um den Beweis anzutreten, dass mit klugem Verstand und viel Handarbeit auch erheblich besser bekömmliche Brände hergestellt werden können. Damit aus dieser Schnapsidee kein an der Alkoholsteuer vorbei betriebenes Abenteuer und bloßes Hobby wurde, stand am Anfang der Erwerb des Verschlussbrennrechtes. Das ist ein Recht, mit dem die Herstellung von Spirituosen unter strenge zollamtliche Kontrolle gestellt wird. Das war im Jahr 2000. Die künftigen Brenner begannen, sich regionale Rohstoffe zu sichern. Sie bauten einen Brunnen, um Zugang zu Wasser bester Qualität zu bekommen. Erste Produktionsstätte war eine Doppelgarage. Klein, aber fein. Schon hier reiften bald erste Destillate zu Produkten in hoher Qualität. Doch für die Holzfässer, die für die Herstellung guten Whiskys benötigt werden, erwies sich die Doppelgarage bald als zu klein. Ein ehemaliges Sägewerk wurde übernommen und in mehrjähriger Arbeit gründlich umgebaut. 2016 konnte die „Sauerländer Edelbrand GmbH“ (so der genaue Firmenname) ihre neue Produktionsstätte eröffnen. Eine weitere Brennanlage hielt Einzug. Die Handarbeit ist geblieben. Mit 15 Mitarbeitern wird inzwischen eine Jahreskapazität von 50.000 Flaschen (Brände, Liköre, Geiste, Whisky), davon 20.000 Flaschen Whisky, erreicht.
Die Teilnehmer der Besichtigung testeten sich unter fachkundiger Anleitung vom Obstler bis zum Whisky durch Teile der Produktpalette und konnten dabei insbesondere die Whisky-Hausmarke „White Raven“ in verschiedenen Herstellungsstufen kennen lernen. Der „weiße Rabe“ hat mit dem bekannten zeitgenössischen Künstler Otmar Alt, Jahrgang 1940, zu tun. Er hat als langjähriger Freund den Werdegang der Brennerei intensiv begleitet. Als diese auf der Suche nach einem Firmenlogo war, war Otmar Alt mal wieder zu Besuch in Kallenhardt. Er saß gerade gemütlich unter einem großen Mammutbaum, als ein kleiner Rabe aus einem Nest über ihm herabfiel. Der Künstler, der inzwischen eine Vielzahl von Etiketten der Edelbrennerei entworfen hat, päppelte den kleinen Vogel auf. Dieser wuchs zum kleinen Glücksraben für das Unternehmen heran.
Bevor es auf die Heimreise ging, rundeten die Teilnehmer der DAFK-Fahrt das Programm mit einem leckeren Abendessen im Kallenhardter Romantik Hotel Knippschild ab. Und der zum Schluss servierte „Absacker“ kam natürlich aus der Flasche einer nicht weit entfernten Brennerei mit einem kleinen Raben im Logo.
Wie St. Liborius am Mississippi eine „zweite Chance“ erhielt
„Liborius in der Welt“ lautete der Titel der Kunstinstallation auf dem Paderborner Marktplatz, die Tobias Kammerer (Rottweil) im Auftrag des Erzbistums zu Libori 2020 geschaffen hat. Vier auf schweren Betonsockeln stehende, 3,60 Meter hohe gläserne „Richtungsweiser“, farblich gestaltete, stilisierte Pfauenfedern, lenken die Blicke auf sich. Sie sollen in Corona-Zeiten auch über Libori hinaus bis zum Ende der Rubens-Ausstellung (bis 25. Oktober 2020 im Diözesanmuseum) aufzeigen, wie die Verehrung des Paderborner Bistumspatrons in alle Welt gelangt ist.
Weihbischof Matthias König lobte die „gelungene künstlerische Gestaltung“ der Installation, „die an Beispielen aufschließt, wohin überall Reliquien und die Verehrung des hl. Liborius gelangt sind“. Auf den Sockeln der „Richtungsweiser“ ist eine Weltkarte zu sehen. Und weil es eine moderne Ausstellung ist, findet sich am Fuß der Glasstelen auch ein per Smartphone abrufbarer QR-Code (QR = Quick Response = rasche Antwort). Mit dessen Hilfe können weiter gehende Informationen zur Liborius-Verehrung, darunter auch Audio-Dateien, abgerufen werden.
Mitglieder des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises Paderborn (DAFK) und andere Amerikafreunde reiben sich während des Bummels über den Marktplatz beim Blick auf die Weltkarte der Libori-Verbreitung verwundert die Augen. Sie sehen sie buchstäblich schwarz: Es fehlt auf den großen gläsernen Stelen jeglicher Hinweis auf eine Liboriverehrung in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Dasselbe galt für die 16 kleineren „Flags“, die während der Libori-Festwoche zwischen den großen „Richtungsweisern“ auf dem Marktplatz verteilt waren und einzelne Orte der Liboriverehrung besonders herausstellen sollten.
Dabei gibt es ganz in der Nähe der Paderborner Partnerstadt Belleville im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten gleich zwei solcher Orte: Da ist zum einen die ehemalige St. Liborius-Kirche in St. Louis (Missouri). Aus ihr stammt der Pfauenstuhl (Peacock-Chair) im Foyer des Paderborner Rathauses. Und dann gibt es den Ort St. Libory im St. Clair County (Illinois), dessen Kreisstadt die Paderborner Partnerstadt ist. St. Libory gehört zur Diözese Belleville. An dessen Spitze steht seit Juli 2020 der neue Bischof Michael G. McGovern. Die Pfarrgemeinde in St. Libory ist wahrscheinlich der älteste Ort der Liboriverehrung in einem außereuropäischen Land. Doch auf der Liborius-Weltkarte des Erzbistums: Fehlanzeige.
Westfälische Amerika-Auswanderer des 19. Jahrhunderts und katholische Priester, die ihnen nachfolgten, nahmen Liborius mit „über den großen Teich“. Wäre der geplante Paderborn-Besuch einer Gruppe aus Belleville zu Libori nicht dem coronabedingten Reisestopp zum Opfer gefallen – die Gäste hätten auf dem Paderborner Marktplatz angesichts der Liborius-Weltkarte wahrscheinlich ziemlich enttäuscht dreingeschaut.
„Lassen Sie sich durch die Symbolik der Installation, aber auch durch die (digital abrufbaren) Informationen mit hineinnehmen in die Wirkungsgeschichte des hl. Bischofs Liborius, der nach wie vor Brückenbauer zwischen Völkern und Ortskirchen ist – eben: Liborius in aller Welt!“, schreibt Weihbischof König in der vom Erzbistum herausgegebenen Broschüre zur Kunstinstallation.
Wohl doch nicht in aller Welt: Dabei bietet die ehemalige St. Liboriuskirche von St. Louis, wegen ihrer Schönheit und Größe einst als „Kathedrale des Nordens“ der Stadt am Mississippi bewundert, den Stoff für spannende Geschichte(n). Fast 30 Jahre sind es her, seit das Erzbistum St. Louis dieses markante Gotteshaus Ende 1991 geschlossen hat – wegen der rapide gesunkenen Zahl von Gläubigen und des Abdriftens dieses Stadtbezirks in ein tristes Slumviertel.
Und 28 Jahre sind vergangen, seit die Erzdiözese St. Louis, öffentlichem Protest zum Trotz, Teile des Kircheninventars versteigern ließ. Ein Kneipenwirt von der anderen Mississippi-Seite, aus Belleville’s Nachbarort O’Fallon (Illinois), ersteigerte den Pfauenstuhl. In dessen Gastraum drohte das Kirchenmöbel sein weiteres Dasein als doppelsitziger Stammplatz für durstige Tresenhocker zu fristen. In dieser Bar wurde der Pfauenstuhl 1993 zufällig von Ellen Rost, der Gründungspräsidentin des DAFK, entdeckt. Mit Hilfe Belleviller Freunde gelang ihr nach schwierigen Verhandlungen mit dem Wirt der Ankauf des Stuhles. Der auf der Mittellehne thronende Libori-Pfau war plötzlich verschwunden, tauchte aber zum Glück bis zum Abtransport wieder auf. 1994 wurde der Pfauenstuhl nach Rotterdam verschifft. In Paderborn wurde er auf Kosten Ellen Rosts restauriert und 1995 als Geschenk an den Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis übertragen. Der DAFK übergab den Stuhl sogleich als Erinnerung an die Geschichte westfälischer Amerika-Auswanderer der Stadt Paderborn als Dauerleihgabe.
Das geräumige Kirchengebäude von St. Liborius in St. Louis diente vorübergehend als Depot für Inventar aus anderen stillgelegten Kirchen im Erzbistum St. Louis. Aus diesem Fundus konnten sich interessierte Pfarreien bedienen. Etwa um das Jahr 2005 verkaufte die Erzdiözese St. Louis das Kirchengebäude von St. Liborius an einen Zusammenschluss privater Interessenten. Als der DAFK zu seinem 25-jährigen Bestehen 2013 die Broschüre „Zur Geschichte des Pfauenstuhls im Paderborner Rathaus“ herausgab, wurden in St. Louis gerade Überlegungen angestellt, in dem stillgelegten Kirchenschiff riesige Wasserbecken für eine ökologische Fisch- und Nutzpflanzenzucht zu installieren. Ein Plan, der ins Wasser fiel.
Doch der Kirchen-Leerstand ist beendet. St. Liborius kommt heute ganz sportlich daher. Die neugotische, auf der Denkmalliste sowohl der Stadt St. Louis als auch im „US National Register of Historic Places“ stehende Kirche ist im Begriff, sich auch überregional einen Ruf als Mekka für Skater zu erobern. Betreiber des privaten Skateparks ist ein Verein namens SK8 Liborius. SK8 ist eine Kurzformel, die in falscher Schreibweise aus dem englischen Skate in Kombination mit der 8 (= Skeight, abgekürzt SK8) gebildet wurde. SK8 ist in der Szene auch als Markenname für Skaterzubehör ein Begriff – in Kombination mit dem Namen Liborius gibt es ihn jedoch nur einmal.
Bevor in dem zur Sportstätte umfunktionierten Kirchenschiff eine imposante Rampenanlage installiert werden konnte, galt es für die Aktiven des SK8 Liborius, erst einmal Berge von Müll zu beseitigen, der sich in den Jahren des Tiefschlafs in und an der Kirche angesammelt hatte. Auch mussten erst einmal dringende Reparaturen an Dach und Turmrumpf vorgenommen werden.
An Öffnungstagen der ungewöhnlichen Sportstätte erhalten Skatefans kostenlosen Zutritt. Bei Wettbewerben können sie für eine Fünf-Dollar-Spende dabei sein. Das Geld fließt in den weiteren Ausbau des ungewöhnlichen Skateparks, aber auch in weitere Sanierungsarbeiten am Gebäude. US-Größen der Skaterszene, aber auch Akrobaten auf BMX-Rädern gaben bereits waghalsige Gastspiele in dem umfunktionierten Kirchenschiff. Wo einst die baulichen Überbleibsel der Altäre für einen eher traurigen Anblick sorgten, ziehen jetzt grelle Graffittis die Blicke an.
Als eine kleine Gruppe von vier Ordensschwestern während der Umbauarbeiten die ehemalige Kirche in Augenschein nehmen wollte, halfen freundliche Skater den frommen Frauen, auf Rollbretter zu steigen. Die Schwestern wurden an die Hand genommen und durch das Gebäude gezogen. Eine von ihnen sei vor Rührung in Tränen ausgebrochen, schilderte ein Projektverantwortlicher damals der Zeitung National Catholic Reporter. „Sie sagten, sie seien so glücklich, dass wir die Kirche gerettet haben – und die Arbeit des Herrn tun.“
Auf der Skateanlage sind aber nicht nur junge Leute unterwegs – manchmal wird es dort unter dem hohen Kirchengewölbe mit seinen teilweise gut erhaltenen Kirchenmalereien auch ganz still: Wenn Teilnehmer von Yoga-Kursen die besondere Atmosphäre dieses Raumes, das ungewöhnliche Aufeinandertreffen von Punk-Kultur und Spiritualität, auf sich wirken lassen. „Willkommen im Himmel auf Erden für Skater“, stellte 2018 das US-Reisemagazin „Atlas Obscura“, das sich als Online-Führer zu verborgenen Plätzen der Welt versteht, das „zweite Leben“ von St. Liborius in St. Louis vor.
Das Kölner „Domradio“, zu Libori seit Jahren mit seiner TV-Übertragungstechnik Gast im und am Paderborner Dom, stellte auf seiner Webseite 2019 das Projekt in St. Louis so vor: „Eine US-Kirche mit deutschen Wurzeln wird zum Skater-Paradies.“
Thomas Spang von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) war der Verfasser des Berichts. Er schrieb: „Das Aussterben ehemals großer Gemeinden hinterlässt nicht selten verwaiste Kirchen. In der Mississippi-Metropole St. Louis erwecken Skater ein altes katholisches Gotteshaus zu neuem Leben – und ernten dafür Zustimmung. Sie stürzen sich die steile Half-Pipe hinunter, rasen an der gegenüberliegenden Wand wieder hoch, um auf dem Gipfel der Geschwindigkeit mit dem Rollbrett in der Luft eine Pirouette zu drehen. Nichts Außergewöhnliches unter Skatern, jenen waghalsigen Teenagern – allerdings nicht in einem Gotteshaus. Doch genau das hat der Sankt-Liborius-Kirche in St. Louis (Bundesstaat Missouri) wieder Leben eingehaucht. Die ehemalige katholische Kirche zählt mit ihrer fast vier Meter hohen Rampe direkt unter der früheren Kanzel zu den anspruchsvollsten Half-Pipes der städtischen Skater-Szene. Kein Fall für Kirchen-Puristen, aber durchaus ein spiritueller Erfolg, der echten Gemeinschaftssinn stiftet.“
Die Website des „Domradios“ zitierte Dave Blum von der neuen Eigentümergesellschaft, die Sankt Liborius „in einen Skater-Tempel verwandelt“ habe. Hauptziel sei es gewesen, dieses Gebäude zu retten, sagte Blum, „und ich weiß, dass wir das getan haben“. Einige Jahre später wäre der Verfall nicht mehr aufzuhalten gewesen. Nun aber sei das Gotteshaus ein Magnet für junge Menschen, zugleich „eine Speerspitze“ in der Sozialarbeit des Stadtviertels. Solch eine neue Verwendung ehemaliger Gotteshäuser helfe den Kommunen, die spirituelle Wirkung ihrer Kirchen zu erhalten – auch in „SK8 Liborius“. Und unabhängig davon, ob der Herrgott die lärmende Raserei auf den Rollbrettern in seinem Haus mit Wohlwollen betrachte. . .I
m Norden von St. Louis siedelten in den 1850er Jahren viele westfälische Auswanderer. So viele, dass das Viertel bald „Klein-Paderborn“ genannt wurde. 1856 wurde die deutschsprachige St. Liborius-Gemeinde gegründet. Und Gelände für den Bau einer ersten Kirche erworben. Noch im selben Jahr wurde der Grundstein gelegt. Das enorme Wachstum der Gemeinde erforderte bereits in den 1880er Jahren den Bau einer erheblich größeren Kirche – des heutigen Skater-Paradieses. Der Kirchbau wurde 1889 vollendet. Ein Jahr später folgte das Pfarrhaus, und die Schulschwestern des Ordens ,,Notre Dame“, erhielten 1905 – als Abrundung des Gebäudeensembles aus rotem Backstein – direkt neben der Kirche ein schmuckes Konventsgebäude.
„Sanctuary“ heißt der knapp achtminütige Kurzfilm, den die aus Belleville’s Nachbarort Mascoutah stammende Filmemacherin Ashley Seering über die unerwartete „zweite Chance“ für die Liborius-Kirche drehte. Der Filmtitel „Sanctuary“ darf mit „Heiligtum“ (für Skater) übersetzt werden, steht aber auch für „Zufluchtsort“, und als solcher verkörpert das Projekt „SK8 Liborius“ auch neue Hoffnung für den Stadtteil und die hier lebenden jungen Menschen. Der Niedergang des Kirchengebäudes wie der des Viertels rund um North Market- und Hoogan Streets scheint gestoppt oder zumindest stark abgebremst zu sein. Der von Ashley Seering, Coautor Cory Byers und Seerings Produktionsfirma „Night Owl Productions” hergestellte Streifen wurde auf dem Internationalen Film-Festival 2017 in St. Louis als „Bester Kurzfilm“ ausgezeichnet. Auf der Webseite der Produktionsfirma kann „Sanctuary“ in der Rubrik „Alle Videos“ angeklickt und betrachtet werden:
In dem Film kommt John Dudrey, ein ehemaliger Museums-Mitarbeiter aus St. Louis zu Wort. Er kümmert sich seit Jahren um das vom Erzbistum St. Louis aufgegebene Kirchengebäude. „Onkel John“, wie ihn die jungen Skater nennen, stellt die St. Liborius-Kirche mal als seine „Großmutter“, mal als seine „Freundin“ vor. Immer ist er mit Tipps, Ratschlägen und Ideen zur Stelle, wenn es darum geht, weitere Schritte zum Erhalt des Bauwerks zu unternehmen oder den Ausbau des Skateparks voranzutreiben. Er nennt den Sakralbau einen von zwei „Heiligtümern“ seines Lebens, und wahrscheinlich sei St. Liborius auch sein letztes „Sanctuary“. Von der Geschichte dieser Kirche, so mahnt er, gelte es so viel wie möglich zu erhalten.
Im Basement der ehemaligen Kirche war nach der Stilllegung von St. Liborius durch die Erzdiözese St. Louis noch über Jahre eine Suppenküche mit Lebensmittelausgabe für Bedürftige in Betrieb, bis diese in eine der Nachbarpfarreien wechselte. Das ehemalige Schwesternhaus von St. Liborius wurde zu einer Anlaufstelle für Frauen in Not und ihre Kinder und wurde nach der ersten Bewohnerin „Karen House“ genannt. Über viele Jahre arbeitete das „Karen House“ unter dem Dach der katholischen Sozialbewegung „Catholic Worker Movement“, die weltweit Häuser der Gastfreundschaft für benachteiligte Menschen betreibt. Sie hat den Kampf gegen Rassismus auf ihre Fahnen geschrieben und steht der katholischen Friedensbewegung „Pax Christi“ nahe. 2020 wechselte die Trägerschaft. Das Nachbarhaus von St. Liborius gehört nun zu der von Farbigen ins Leben gerufenen Organisation „City Hope STL“ (STL ist eine Abkürzung für St. Louis). Sie kümmert sich um wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in der Großstadt. Soziales Engagement Ehrenamtlicher wird damit im Umfeld von St. Liborius weiter groß geschrieben.
Es gibt aber auch ein religiöses Erbe der einst stolzen, von deutschen Amerika-Einwanderern erbauten Liborius-Kirche. Vom demontierten, zu einer Ruine abgemagerten ehemaligen Hochaltar sicherte sich die südlich von St. Louis, am Interstate 44 Richtung Memphis gelegene katholische Kirchengemeinde „Most Sacred Heart“ in Eureka für ihre im Jahr 2000 eingeweihte neue Kirche die aus Marmor geschaffene große Skulpturengruppe der Kreuzigungsszene. Sie wurde auf einen hohen Sockel im hinteren Altarraum des Kirchenneubaus platziert. Auch Leuchter aus St. Liborius wechselten nach Eureka. Aus Dankbarkeit für diese Geschenke aus St. Louis widmete die Pfarrgemeinde in Eureka dem heiligen Liborius ein neues Kirchenfenster.
Zwei Fenster, die viel mit St. Liborius St. Louis zu tun haben, finden sich auch in der Kirche von St. Libory in Illinois. Ein aus dem Jahre 1918 stammendes Kirchenfenster, das die Überführung der Liborius-Reliquien aus Le Mans im Jahre 836 darstellt, lässt den Schrein von gekrönten Häuptern und Bischöfen tragen und begleiten. Eine Darstellung, die die die Heiligkeit von Liborius unterstreichen sollte. Ein anderes Fenster zeigt St. Liborius bei seinem Wirken als Bischof. Beide Fenster stammen aus der angesehenen Werkstatt des Glaskünstlers Emil Frei (1869-1942) aus St. Louis, einem gebürtigen Münchener. Angesichts seiner Erfolge in den USA eröffnete Frei von St. Louis aus eine Filiale in seiner Heimatstadt München. Frei hatte mit diesen Liborius-Motiven und weiteren Szenen aus dem Leben des Paderborner Bistumspatrons schon im Jahre 1907 eine Reihe sieben Meter hoher Kirchenfenster gestaltet. Diese wurden anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der St. Liborius-Gemeinde in der Kirche in St. Louis installiert.
Nach Schließung der Kirche wurden im Laufe der 1990er Jahre sechs dieser doppelten Lanzette-Fenster ausgebaut, durch Einfachverglasung ersetzt und an ein Handelshaus für christliche Kunst im Staat New York verkauft. Der Verkaufserlös floss in dringende Sicherungsmaßnahmen für das Kirchengebäude. Wohin und an wen die Liborius-Fenster weiterverkauft wurden, ist bis heute nicht bekannt. Die 1918 installierten Fenster in St. Libory sind Duplikate, die offenbar anhand der ursprünglichen Entwurfszeichnungen mit geringfügigen Änderungen in der Werkstatt von Emil Frei gestaltet wurden. Eine der Änderungen: In St. Libory fliegt dem Schrein kein Pfau voran.
Als Schatz ihrer Geschichte bewahrt die St. Liborius-Gemeinde die Holzplatte jenes Tisches auf, an dem am 25. August 1838 der Präriepfarrer Caspar Heinrich Ostlangenberg (1810-1885) im Farmhaus von William Harwerth die erste Messe zelebrierte. Damals wurde die kleine Siedlung deutscher Auswanderer nach einer alten indianischen Bezeichnung Okaw genannt. Ostlangenberg, der aus der gleichnamigen Bauerschaft im Kirchspiel Langenberg bei Wiedenbrück stammte, veranlasste den Bau der ersten kleine Blockhaus-Kirche. Die wurde 1839 eingeweiht. Ostlangenberg hielt sich im Laufe der folgenden Jahre immer wieder für kurze oder längere Zeit in Okaw auf. Er widmete die kleine Kirche dem Patron seiner deutschen Heimatdiözese, dem heiligen Liborius. In Paderborn hatte er vor seiner Auswanderung (1833) mit dem Theologiestudium begonnen. 1850 folgte der Bau der ersten Kirche aus Backstein. Der erste seit 1849 ständig hier ansässige Priester hieß August Brickwedde. Er stammte aus Fürstenau in der Diözese Osnabrück.
Der Siedlungsname Okaw verschwand. Der Ort nannte sich ab 1850 nach der Poststation Mudcreek (= Schlammbach). Die lag, wie Dr. Heinz Marxkors, ein großer Kenner von St. Libory im DAFK, erläutert, an dem „sehr träge fließenden, sumpfigen Bach, der den Ort durchquert“. Auch die Backsteinkirche wurde bald wieder zu klein. Binnen einer Woche spendeten 100 Familien mehr als 30 000 Dollar für den Bau der heutigen Kirche. Ihr Grundstein wurde 1882 gelegt. 1883 wurde sie geweiht.
Der Ort Mudcreek wurde 1874 auf Drängen des Pfarrers Frederick Chemlicek nach dem Kirchenpatron in St. Libory umbenannt. Das tradionelle „Schlambachfest“ wird in St. Libory bis heute gefeiert, ebenso der jährliche „Wurstmarkt“.
1988 beging die Pfarrei von St. Libory ihr 150-jähriges Bestehen. Der Festgottesdienst wurde an jenem Tisch gefeiert, an dem Präriepfarrer Ostlangenberg 1838 die Gläubigen zum ersten Gottesdienst versammelt hatte. Mehrere Gäste aus Paderborn waren dabei und staunten, dass manche Nachfahren deutscher Einwanderer noch gut die von Eltern und Großeltern erlernte plattdeutsche Sprache beherrschten.
Ein Jahr später, 1989, im Vorfeld der Städtepartnerschaft Paderborn-Belleville, besuchte der damalige Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt (1926-2002) mit seinem Generalvikar Bruno Kresing (1929-2020) St. Libory und feierte dort eine Messe. Degenhardt verwies auf die lange Freundschaft zwischen der Liborius-Heimat Le Mans und Paderborn. Ein ähnlicher Freundschaftsbund sei mit diesem Besuch zwischen St. Libory und Paderborn geknüpft, hielt der Geschichtsschreiber der Liborius-Gemeinde fest und wertete den Degenhardt-Besuch als Zeichen der Einheit zwischen der „Mutterkirche“ von St. Liborius in Paderborn und deren „Schwesterkirche“ in Illinois. Degenhardt, der mit seinem Generalvikar während der gemeinsamen Amtszeit (1974-2002) häufig in Sachen Liborius in der Welt unterwegs war, wurde 1998 zum Ehrenmitglied des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises ernannt.
2013 beging die Liborius-Pfarrei in St. Libory unter dem Motto „Rooted in Faith“ (Verwurzelt im Glauben) ihr 175-jähriges Bestehen. Dr. Heinz Marxkors hatte schon 1998 nachgewiesen, dass nicht weniger als 76 von ihm namentlich ermittelte Auswanderer aus den Altkreisen Büren und Paderborn in Okaw, Mudcreek oder St. Libory ansässig geworden sind. Nicht alle blieben.
Mehr als drei Jahrzehnte nach Gründung der Pfarrei brach 1876 von St. Libory aus eine kleine Gruppe deutschstämmiger Siedler auf, um weiter nordwestwärts zu ziehen. Sie erwarben Land in Nebraska und gründeten eine Kolonie in der Nähe Union Pacific Railroad, deren große Transkontinentalverbindung von Chicago Richtung Westküste gute und schnelle Absatzwege für Farmprodukte versprach. Sie gaben ihrer Kolonie den Namen ihres Herkunftsortes St. Libory, errichteten eine Holzkirche und feierten darin 1878 den ersten Gottesdienst. 1954 wurde in St. Libory, Nebraska, eine neue, größere Liboriuskirche eingeweiht und zugleich mit einem Jahr Verspätung das 75-jährige Jubiläum der Pfarrei gefeiert.
Eine weitere Liboriuskirche steht in Illinois, und zwar in Steger (Diözese Joliet in der Nähe von Chicago). Am Aufbau dieser Pfarrei, die 2002 ihr 100-jähriges Bestehen beging, hatte der aus Salzkotten stammende Pfarrer Joseph Rempe (1859-1948, Auswanderung 1883) maßgeblichen Anteil.
Amerika-Auswanderer aus der Diözese Paderborn waren es auch, die den Impuls zur Gründung der St.-Liborius-Pfarrei im einsam gelegenen Polo in South Dakota gaben. Dort wurde 1884 in einem Farmhaus die erste Messe gefeiert, eine erste kleine Holzkirche wurde 1904 errichtet. 1923 folgte eine größere. 1918 erkannte die Diözese Sioux Falls St. Liborius Polo als eigenständige Pfarrei an und übertrug die Seelsorge dem Orden „Missionary Oblates of Mary Immaculate“ (OMI, in Deutschland auch als Hünfelder Oblaten bekannt). Ein Ordenshaus der Oblaten, aus dem bis 1979 eine ganze Reihe von Seelsorgern nach Polo entsandt wurden, stand in Paderborns heutiger US-Partnerstadt Belleville.
Sollte das Erzbistum Paderborn künftig einmal an eine Neuauflage seiner 2020er Liborius-Weltkarte denken, wäre für Nordamerika ein Verzicht auf „Schwarzmalerei“ zu empfehlen. Wolfgang Stüken