Paderborn. „Auf in die große weite Welt – und das in einer politisch sehr spannenden Zeit.“ Mit diesen Worten verabschiedete Landrat Manfred Müller vier Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis Paderborn, die auf große Reise gehen. In wenigen Wochen werden sie in den Mittleren Westen der USA aufbrechen, um an Highschools der Paderborner Partnerstadt Belleville und Umgebung drei Monate lang in das Schulsystem der Vereinigten Staaten einzutauchen.
Möglich gemacht hat diesen „Sister City Cultural Exchange“ wieder der Deutsch-Amerikanische Freundeskreis Paderborn-Belleville (DAFK). Es sei „großartig“, wie der DAFK die Partnerschaft über den Atlantik pflege und immer wieder jungen Menschen die Möglichkeit zum Austausch mit jungen Amerikanern und ihren Familien biete, sagte Müller. Er wünschte den Schülern eine gute Reise und einen tollen Aufenthalt in einem Land, dessen Präsident sich trotz deutscher Vorfahren „sehr amerikanisch verhält“. Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, auf allen Ebenen Kontakt mit Amerika zu halten, spielte Müller auf die Präsidentschaft Donald Trumps an. Er hoffe, dass die jungen Leute aus dem Kreis Paderborn Zeit im Herbst mit vielen neuen Erkenntnissen über den „American Way of Life“ heimkehren. Für das bevorstehende Vierteljahr im US-Bundesstaat Illinois, der 2018 sein 200-jähriges Bestehen feiert, wünschte Müller den jungen Leuten „natürlich auch eine Menge Spaß“. Der Landrat: „Freundschaften schließt man, wenn man jung ist.“ Müller verband mit dieser Erkenntnis den „Auftrag“ an die vier Schüler, während ihres Aufenthaltes als „Botschafter der Region Paderborn“ zu fungieren. Wenn sie im November, zum Thanksgiving-Fest des DAFK, zurück in Paderborn sind, möchte Müller von dem Quartett erfahren, wie die Schüler aus dem Kreis Paderborn das amerikanische System erlebt haben.
Bald geht es für den 16-jährigen Jost von Rüden aus Borchen-Alfen (Pelizaeus-Gymnasium Paderborn), den 15-jährigen Lasse Stucke aus Paderborn-Wewer (ebenfalls Pelizaeus), die 15-jährige Merle Klöpper aus Paderborn-Elsen (Gymnasium St. Michael) und die gleichaltrige Hannah Kößmeier aus Delbrück (Städtisches Gymnasium Delbrück) ans Kofferpacken. Während Jost von Rüden eine Belleviller Highschool besuchen wird, sorgen Lasse Stucke, Merle Klöpper und Hannah Kößmeier für die Schüleraustausch-Premiere mit Paderborn an der Freeburg Community Highschool in Bellevilles Nachbarort Freeburg.
Das südöstlich von Belleville gelegene Freeburg verfügt mit 4.500 Einwohnern nur über ein Zehntel der Einwohnerzahl Belleville’s. Der ländliche Schulbezirk von Freeburg hat mit 320 Quadratkilometern jedoch enorme Ausmaße. In diesem Bezirk liegen die kleinen Orte St. Libory und Paderborn.
Freundeskreis unterstützte das Projekt von Belleville Sister Cities
Die Bürger der amerikanischen Partnerstadt Belleville sind stolz auf ihr renoviertes und modernisiertes Rathaus an der South Illinois Street. Mächtig stolz ist auch die Partnerorganisation des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises, die von Präsident Andy Gaa geleitete Vereinigung Belleville Sister Cities Inc. (BSC). Sie hat das Logo der Städtefreundschaft Paderborn-Belleville aus Metall fräsen und sorgfältig lackieren lassen. Nun bildet es ein für alle Besucher gut sichtbares Schmuckstück an einer Außenwand im Eingangsbereich der City Hall.
Dieses Logo der Städtefreundschaft über den Atlantik existierte bislang nur auf Papier und als hölzernes Emblem, das auf Paraden, Ausstellungen und Festen in der Partnerstadt zu sehen und in der Eingangshalle des Rathauses zu war. Es zeigt eine Kombination aus dem Paderborner Stadtwappen und dem Posthorn aus dem Wappen der Partnerstadt.
Dieses Logo findet sich auch auf dem Briefkopf des DAFK und ist ebenso der Blickfang der neu gestalteten „responsiven“ Webseite www.dafk-paderborn.de, die nicht mehr nur auf dem Computer-Bildschirm, sondern nun auch auch auf dem Handy oder Tablet gut zu lesen ist.
Wetterfest war das alte hölzerne Belleviller Logo allerdings nicht. Die nun installierte Metall-Version soll viele Jahre als Aushängeschild der Städtefreundschaft an Belleville’s „erstem Haus“ dienen.
Der Deutsch-Amerikanische Freundeskreis Paderborn-Belleville hat die Anfertigung der neuen, hochwertigen „Sister-City-plaque“ mit einer Spende von 1500 Dollar unterstützt.
Vizepräsident Wolfgang Stüken überreichte diese Spende bei seinem Besuch im April 2018 im Beisein einer Reihe von BSC-Aktiven und von Bürgermeister Mark Eckert an die Vertreter von Belleville Sister Cities. Andy Gaa, der seit Anfang 2018 an der Spitze von BSC steht, hat sich inzwischen auch schriftlich für die „großherzige Spende“ aus Paderborn bedankt. Das aus Metall gestaltete Zeichen der Städtefreundschaft bedeute einerseits „eine schöne Ergänzung“ für das modernisierte Gebäude der City Hall, andererseits sei es eine ständige „wunderbare Erinnerung“ an die seit 1990/1991 bestehende Verbindung der beiden Partnerstädte, schrieb er an den DAFK-Präsidenten Kurt-Heiner Sprenkamp.
Belleville hatte am 21. Oktober 2017 mit einem öffentlichen Festakt die Wiedereinweihung des renovierten Rathauses gefeiert. Mit einem Aufwand von fast sieben mehr Millionen Dollar, 1,9 Millionen mehr als geplant, hatte die Partnerstadt ihre „City Hall“ grundlegend saniert.
Die City Hall wurde 1957 von dem Belleviller Architekten Charles E. King entworfen und 1959 eingeweiht. Eine zeitraubende und teure Asbest-Sanierung für das fast 60 Jahre alte Gebäude wurde 2017 unumgänglich. Daneben wurde viel in eine behindertengerechte Gestaltung, eine Isolierverglasung, energiesparende Beleuchtung und mehr Sicherheit investiert. Für Besucher von Ratssitzungen wurde eine Empore in den Sitzungssaal eingezogen, die mehr Platz für Zuschauerbänke bietet.
Das modernisierte Gebäude ermöglicht zudem einen deutlich verbesserten Verwaltungsservice für die Bürger von Belleville. Verschiedene Redner der Feier zur Wiedereinweihung stellten heraus, dass die Sprache des Architekten Charles E. King (1919-1993) – heute als „Midcentury Modern Design Style“ anerkannt und geschätzt – gewahrt und auf den aktuellen Standard übersetzt worden sei. „Ein Rathaus – das ist eine Tür und ein Fenster zur Demokratie“, sagte State Representative Jay Hofmann, Landtagsabgeordneter der Demokraten, der den Bellevillern und ihrem Bürgermeister Mark Eckert zum gelungenen Rathaus-Umbau gratulierte. Auch Sprecher von Behinderten-Organisationen sparten nicht mit Lob und Anerkennung für den Umbau.
Bei der Übergabe der Spende für das neue Sister-City-Logo kündigte Wolfgang Stüken an, auch für die geplante Aufstellung eines Maibaumes in Belleville könne die Partnerorganisation mit finanzieller Unterstützung des DAFK rechnen. Eine Nachricht, die in der Partnerstadt mit großer Freude aufgenommen wurde.
In der Eingangshalle der City Hall steht seit Jahren eine Vitrine, die mit Erinnerungsstücken und Dokumenten über Anfänge und Entwicklung der Städteverbindung über den „großen Teich“ informiert. Für das alte Logo dürfte diese Vitrine allerdings ein paar Nummern zu klein sein . . .
Spannender Schnuppernachmittag
beim Spiel der Paderborn Dolphins
Einen spannenden sportlichen Nachmittag erlebte der Deutsch-Amerikanische Freundeskreis beim Zweitliga-Heimspiel des American Football Clubs Paderborn Dolphins . Zu diesem erstmaligen Treffen – auch auf Vorstandsebene – machte sich besonders die jüngere Generation des DAFK auf den Weg ins Hermann-Löns-Stadion nach Schloß Neuhaus. Dolphins-Präsident David Schmidtmann begrüßte die Amerika-begeisterten Gäste und gab eine kurze Einführung in die hier noch längst nicht allgemein bekannte Sportart.
Bei tollem Wetter, amerikanischen Donuts und Burgern konnten auch Nicht-Insider schnell eine Begeisterung für den willens- und kampfstarken ostwestfälischen Kader entwickeln. Die Stimmung auf der Tribüne steigerte sich bei jedem Touchdown, auch wenn es zum Sieg letztlich wieder mal nicht reichte. DAFK-Präsident Kurt-Heiner Sprenkamp ist optimistisch, dass die Zusammenarbeit der Vereine in den nächsten „Seasons“ vertieft wird. Die Jugendarbeit ist ein Aushänge-schild für beide Vereine. Die Schüler- und Schülerinnen des DAFK, die ab August für drei Monate in die Paderborner Partnerstadt Belleville reisen werden, zeigten sich begeistert: „Ein cooler Einblick in die amerikanische Sporttradition und eine gelungene Vorbereitung für unsere Zeit in Amerika!“
So blicken sowohl Vereins- als auch Freundeskreisvertreter weiteren gemeinsamen Events entgegen: Die Unterstützung in der Footballsaison kann noch bis September weiter gehen, auch das Thanksgiving-Fest, das der DAFK jedes Jahr im November begeht, bietet gute Möglichkeiten zur deutsch-amerikanischen Begegnung.
Fast 50 DAFK-Mitglieder genießen
Dogwood in der sonnigen „Vorsenne“
Das konnten die fast 50 Besucher des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises, die sich auf dem Hof Westkämper an der Sennelager Straße in Paderborn-Sande zum Dogwood-Fest 2018 trafen, nicht ahnen. Auch von diesem Bauernhof zog es einst Auswanderer in die Neue Welt. Der Hof, der auf einer Sanddüne errichtet wurde und dessen Geschichte sich bis ins Jahr 1788 zurück verfolgen lässt, stand in einer armen Gegend der so genannten „Vorsenne“. Wer dort einen Bauernhof betrieb, musste mit wenig Wasser auskommen – vom hohen Grundwasserstand durch einen nahe gelegenen Lippesee konnten die Bauern damals nur träumen. So zog es den Landwirt Conrad Westkämper im Jahre 1881 in die „Neue Welt“.
Er hat es nicht bereut, konnte in Minnesota aus kleinsten Anfängen eine stattliche Farm aufbauen. „Wir haben noch die Briefe des Auswanderers“, erzählte der heutige Hofbesitzer Heinz Westkämper seinen interessierten Gästen. Doch irgendwann brach der Kontakt ab. Viele Jahre hörten die Westkämpers beiderseits des Atlantiks nichts voneinander. Heinz Westkämpers Tochter Tanja machte sich in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts per Internet auf die Suche – und hatte Erfolg. Die hoch erfreuten Nachfahren des Auswanderers luden Tanja Westkämper gleich zu einem Besuch nach Minnesota ein. So wurden die Familienbande über den großen Teich neu belebt. „Und heute“, so Heinz Westkämper erfreut, „haben wir regelmäßig Kontakt“.
Die Westkämpers stammen ursprünglich aus Mastholte. Über viele Jahre waren Milchkühe das Standbein des Sander Hofes. Dann verlegte sich Heinz Westkämper auf die Schweinemast. 1991 wurde erstmals auf einer Fläche von einem Hektar Spargel angebaut. Ein gelungener Versuch. Bis heute ist daraus eine Anbaufläche von rund 13 Hektar geworden, auf der vor allem weißer Spargel (Bleichspargel) wächst. Aber auch grüner Spargel hat sich mittlerweile einen festen Platz im Angebot des Hofes erobert, ebenso violetter Wildspargel.
Bei Führungen durch den Betrieb und zu den Spargelfeldern erfuhren die Teilnehmer des Dogwood-Festes viel über Anbau und Ernte dieser Delikatesse. Auf dem Hof Westkämper sind in der Hauptsaison bis zu 25 osteuropäische Erntehelfer im Einsatz. Eine Familie aus der Gegend um Paderborns polnische Partnerstadt Przemysl sorgt schon seit vielen Jahren dafür, dass rechtzeitig zu Saisonbeginn 12 polnische Spargelstecher in Sande zur Stelle sind. Auch rumänische Arbeitskräfte kommen gern. Der Hof zahlt ihnen deutschen Mindestlohn plus Leistungszulagen. Daheim besitzen die Spargelstecher oft selbst kleine landwirtschaftliche Betriebe und betreiben – mit eigenen Gastarbeitern zu Tarifen, die deutlich unter dem deutschen Mindestlohn liegen – Tabakanbau.
Die Teilnehmer der Führung waren beeindruckt, welche Anstrengungen der Hof Westkämper unternimmt, den von Jahr zu Jahr wachsenden Qualitätsanforderungen des Handels zu entsprechen. So wird Bleichspargel mittlerweile in bis zu zehn Sortierungen angeboten. Eine solche Vielfalt wäre ohne Computereinsatz kaum denkbar. Die schlauen und schnellen Spargel-Rechner unterscheiden unter anderem nach Durchmesser und Form der Spargelstangen oder dem Aussehen der Spargelköpfe. Krumm oder gerade gewachsen – geschmacklich macht das keinen Unterschied.
Der Hof Westkemper ist zugleich ein gefragter Erdbeer-Produzent. Naschen war bei der Besichtigung der Folienhäuser ausdrücklich erlaubt. Heinz Westkempers Ehefrau Mechthild sorgt dafür, dass es nie an Nachschub von köstlicher Erdbeer-Marmelade im Hofladen mangelt. Und schmackhafte Kartoffeln – nicht nur zur Spargelgerichten – liefert der Hof auch, ebenso Wurst und Schinken.
Heinz Westkämper überraschte seine Gäste zu Beginn des Nachmittags mit einer leckeren Spargelsuppe hofeigener Herstellung. Für das Hauptgericht hatte der Freundeskreis später das Restaurant Alt-Enginger Mühle gebucht: Dort bildete ein Spargel-Büffet den Auftakt des gemütlichen Beisammenseins. Der frische Spargel hatte keinen weiten Weg bis in den Kochtopf – er stammte natürlich vom Hof Westkämper.
Einzugsbereich von 100 Meilen: Der deutsche Braumeister Ben Zollenkopf (links) und Chane F. Keller, der President des Hofbräuhauses St. Louis-Belleville. Fotos: Wolfgang Stüken
Das jüngste Hofbräuhaus der Welt steht in Paderborns US-Partnerstadt Belleville
Einer der berühmtesten Belleviller Bürger des 19. Jahrhunderts, der Deutschamerikaner Gustav Körner (1809-1896), vergab schon in den 1880er Jahren, als er seine Memoiren schrieb und sich an seine Studentenzeit erinnerte, dem Münchener Bier die Note „exzellent“. Körners Memoiren erschienen anlässlich seines 100. Geburtstages anno 1909 in zwei Bänden. Weitere 109 Jahre später fließt in Paderborns Partnerstadt im Mittleren Westen sogar ganz frisch gezapftes Bier der Marke Hofbräu aus dem Hahn. „Exzellent“ – das meinten auch die mehr als 600 Teilnehmer der Eröffnungsfeier des Hofbräuhauses St. Louis-Belleville am 18. April 2018.
Ein gut gelaunter Ordensgeistlicher ergriff das Mikrofon und sprach ein kurzes Gebet zur Einweihung. Seinem „Amen“ fügte Pater Andrew Knop, ohne eine Sekunde Atem zu holen, ein lautstark ausgerufenes „Ziggy, Zaggy, Ziggy Zaggy“ hinzu, und die fröhlichen Gäste antworteten dreimal im großen Trinkspruch-Chor „Hoy, hoy, hoy“. Dabei schwenkten sie gut gelaunt ihre nicht minder gut gefüllten Bierkrüge. Dann wurde „Ein Prosit der Gemutlichkeit“ angestimmt, und die Band auf der Bühne ließ die Schunkel-Hn Belleville und der großen, Missouri gelegenen Nachbarstadt St. Louis erlebte der Bierpalast Nummer acht der 2005 gegründeten US-Tochter Hofbräuhaus of America LLC – das bislang größte Hofbräuhaus in den USA – sein lang erwartetes „Grand Opening“ .
„Ein großartiger Tag für Belleville“, sah Mark Eckert, der Bürgermeister der im Bundesstaat Illinois gelegenen Paderborner Partnerstadt, ein lange verfolgtes Ziel erreicht. Ein großer Tag sei dies auch für die Wallfahrtsstätte „Shrine of Our Lady of the Snows“, deren Direktor der „Zicke Zacke“-Pater Andrew ist. Die in Nachbarschaft des Hofbräuhauses gelegene große Belleviller Marienwallfahrtsstätte mit jährlich mehr als einer Million Besuchern ist Eigentümerin des Geländes, auf dem das Hofbräuhaus steht. Der Oblatenorden, der die Wallfahrtsstätte betreibt, hat das Brauhaus-Gelände langfristig an die Investorengruppe Keller aus Effingham (Illinois) verpachtet. Die Kellers haben auch die Franchiserechte für das Hofbräuhaus erworben.
Aus dem Münchner Hofbräuhaus war Brauereichef Dr. Michael Müller zur Einweihungsparty angereist. Er wünschte, stilecht in Lederhose, dem Hofbräuhaus St. Louis-Belleville „eine Menge Freude, eine Menge Gäste und eine Menge Erfolg“.
Der große Saal des Hofbräuhauses bietet Platz für 500 Gäste. Der angrenzende Festsaal (König-Ludwig-Saal) kann für bis zu 250-köpfige Gesellschaften gebucht werden Weitere 265 Besucher können an wärmeren Tagen draußen im Biergarten „Gemutlichkeit“ schnuppern.
In der Region um Belleville leben viele Nachfahren deutscher Auswanderer – darunter auch Emigranten aus dem Kreis Paderborn und westfälischen Nachbarkreisen, ferner viele ehemalige US-Soldaten, die einmal in Deutschland stationiert waren. Bei ihnen steht deutsches Bier hoch im Kurs. Die benachbarte Großstadt St. Louis (Missouri) am westlichen Mississippi-Ufer liegt nur 10 Meilen vom neuen Hofbräuhaus entfernt. St. Louis ist das Zentrum der Metro-East-Region, die rund 2,8 Millionen Bewohner zählt. Daher erscheint in der Bezeichnung und Ausschilderung der neuen Groß-Kneipe der Name St. Louis in großen Buchstaben. Belleville (knapp 50.000 Einwohner) steht in kleineren Lettern darunter. So ist es beim rund 480 Kilometer entfernten Nachbar-Hofbräuhaus Chicago, das im dortigen Vorort Rosemont liegt, auch.
Die Idee der Hofbräuhaus-Gründung in Belleville stammt aus dem Jahr 2014. Schon ein Jahr später wurde mit dem Bau begonnen. Doch der Ausstieg eines Investors verzögerte die Realisierung um fast zwei Jahre. Mehrfach platzten angepeilte Eröffnungstermine. Mit einem „Soft-Opening“, einer eher leisen Inbetriebnahme, ging es schließlich Ende März 2018 los. Obwohl seit Jahresbeginn mehr als 150 Mitarbeiter eingestellt wurden, gab es zunächst Kritik von Gästen an langen Wartezeiten und Beschwerden über angeblich unfreundliche Bedienung. Eine Ursache waren Schwierigkeiten für das amerikanische Personal, mit den Begriffen der bayrischen Speisekarte zurecht zu kommen. Ein spezielles Schulungsprogramm mit gastronomischer Nachhilfe in Begriffen der deutschen und bayrischen Gastronomie wurde organisiert. Jetzt bereiten Obatzda, Brotzeitteller, Brezen, Rostbratwürstl und Leberkäse keine Probleme mehr, und gern sind die Servierkräfte bereit, die Auswahl im Bierangebot so leicht wie möglich zu machen. „Ich danke allen, die an dieses Projekt geglaubt haben“, atmete Bürgermeister Mark Eckert vor dem offiziellen Fassanstich am Eröffnungstag sichtlich erleichtert auf.
Chane F. Keller, 28 Jahre junger „President“ des Hofbräuhauses, bezifferte das Investitionsvolumen auf 14 Millionen Dollar. Die Brautechnik kommt aus Österreich, eine hochmodere Zapfanlage, die exakt die gewünschte Biermenge in Gläser und Krüge dosiert und mit einer Schaumkrone abrundet, wurde aus Deutschland importiert. In wenigen Wochen soll in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hofbräuhauses – ebenfalls auf Oblaten-Gelände – mit dem Bau eines Hotels (170 Zimmer, zwei Restaurants, Betreiberin: Hyatt-Gruppe) und eines Konferenzzentrums mit Sälen und Seminarräumen für bis zu 1500 Teilnehmer begonnen werden. Auch eine Tankstelle mit Bedarfsartikel-Laden (Convenience-Store) gehört zum weiteren Bauprogramm, das Chane F. Keller auf 18 bis 20 Millionen Dollar beziffert.
Braumeister Ben Zollenkopf (50) stammt aus dem bayrischen Sonthofen. Nach seiner Brauer-Lehre sammelte er in diversen bayrischen Brauhäusern, darunter auch Privat- und Gasthausbrauerein, Erfahrungen, bevor er in Weihenstephan eine dreijährige Ausbildung zum Diplom-Braumeister absolvierte. Als Fachmann für Brauereitechnologie war er bald weltweit für die Inbetriebnahme von Brauereianlagen im Einsatz. Zuletzt bekleidete er seit 2010 bei Hofbräu in München die Funktion des Technischen Direktors international.
Die hauseigene Brauanlage im neuen Hofbräuhaus St. Louis-Belleville kann Zollenkopf nicht nur per Touchscreen steuern. Jedes Ventil, jeder Motor lässt auch von Hand bedienen. Zollenkopf:„Wir können einen kompletten Sud manuell fahren.“ Jeder der acht Außentanks am Hofbräuhaus fasst 4.000 Liter Bier. Drei Sorten – das in Deutschland als Original Hofbräu bekannte Bier heißt hier Premium Lager, hinzu kommen ein Dunkel und ein Hefeweizen – sind ständig am Hahn. Literpreis: 12 Dollar. Hinzu kommen Saisonbiere, die einen Dollar mehr kosten. Maibock und Oktoberfestbier müssen aufgrund alter Traditionen und Braurechte aus München importiert werden. Für die beiden Wochen des Münchner Oktoberfestes soll am Hofbräuhaus in Belleville ein Festzelt aufgebaut werden, wo Oktoberfestbier aus München im Ausschank ist. Zollenkopf selbst darf für diesen Jahreshöhepunkt ebenfalls ein spezielles Bier brauen. Es darf den Namen „Oktoberfest“ oder „Festbier“ tragen. Echtes „Oktoberfestbier“ aber muss – in Fässern über den Atlantik – aus Bayerns Hauptstadt kommen.
Gebraut wird in Belleville nach deutschem Reinheitsgebot mit Wasser aus dem öffentlichen Netz. Nach einer gründlichen Wasseranalyse in Weihenstephan hat Zollenkopf eine Enthärtungsanlage einbauen lassen. „Alle Vorgaben aus München sind erfüllt.“ Malz kommt aus Bamberg, für die Hauptsorten wird deutscher Hopfen verwendet. Auf die Weißbierhefe, die in einer amerikanischen Hefebank hinterlegt ist, haben allein die Hofbräuhauser der USA Zugriff. Zollenkopf: „Das macht unser Bier sehr einzigartig.“ Die Konkurrenz durch amerikanische Brauereien, gerade auch in St. Louis, nennt der Braumeister „extrem groß“. Aber er weiß auch: „Es ist eine für Bierfreunde sehr attraktive Gegend.“ Als Einzugsbereich peilen Chane F. Keller und Ben Zollenkopf einen Radius von 100 Meilen rund um das neue Hofbräuhaus an. Die ersten Touristenbusse fuhren schon am Tag nach dem „Grand Opening“ auf dem großen Parkplatz vor. Vor dem Hofbräuhaus wird bald ein mit bayrischen Ornamenten geschmückter blau-weißer Maibaum stehen.
Ab 17 Uhr gibt’s an jeden Abend Livemusik. Eine Agentur aus Innsbruck vermittelt die ganz auf Stimmungsmusik geeichten, meist aus Deutschland und Österreich verpflichteten Musiker jeweils für mehrere Wochen an die US-Hofbräuhäuser. Chane F. Keller: „Wir würden uns sehr freuen, auch Bands aus Belleville’s Partnerstadt Paderborn hier auf der Bühne begrüßen zu können.“ Für mehrtägige Auftritte allerdings wird ein Touristenvisum allerdings kaum ausreichen.
Für den Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis Paderborn-Belleville gratulierte Vizepräsident Wolfgang Stüken zur Hofbräuhaus-Einweihung. Da anno 1587 der erste Braumeister des Münchner Hofbräuhauses aus einem Kloster stammte und 429 Jahre später eine Belleviller Ordensgemeinschaft Grundstückseigentümerin des jüngsten Ablegers des angeblich berühmtesten Wirtshauses der Welt ist, überreichte er als Geschenk an Chane F. Keller das um 1910 entstandene Ölbild eines Mönches, der sich in seiner Klosterzelle flüssige Nahrung aus einem Bierkrug mit dem Markenzeichen „HB“ schmecken lässt. Ob der auch schon das „Zicke Zacke“ beherrschte, ist nicht bekannt.