„Happy Tanksgiving“ hieß es am Donnerstag bei unseren Freunden in Belleville, denn am vierten Donnerstag im November feiern Familien in Paderborns Partnerstadt und überall in den USA das Erntedankfest. 7270 km entfernt und mit sieben Stunden Zeitvorsprung empfing auch DAFK Präsident Heiner Sprenkamp die Vereinsmitglieder in Paderborn zum traditionellen 32. Thanksgiving Dinner im Restaurant zu den Fischteichen. Nachdem der Truthahn im vergangenen Jahr „to go“ zu den Vereinsmitgliedern nach Hause kam, war die Freunde in diesem Jahr wieder gemeinsam feiern zu können, besonders groß. Nach dem festlichen Truthahn-Dinner dankte der Präsident in einer Ansprache den Vereinsmitgliedern Charlotte Reif, André Springer und Mareike Mosch für ihr Engagement für ein lebendiges Vereinsleben in den vergangenen Corona Monaten und erinnerte die Vereinsmitglieder daran sich, gerade in den aktuellen Zeiten, über solche schönen Momente im Leben zu freuen. Mit geselligen Gesprächen klang ein schöner Abend aus. Vereinsmitglieder können sich den Thanksgiving Termin für 2022, am 24. November, bereits vormerken.
Im Baustil der amerikanischen Neo-Klassik erbaut: Das Gebäudeensemble des Mundelein Seminary. Der Seminarkirche (oben rechts) ist der Pier vorgelagert, der in den großen See hineinragt (oben links). Das darauf stehende Säulen-Rondell ist ein in und um Mundelein beliebter Ort für Hochzeitsfotos. Unter dem Rondell liegt das Bootshaus, aus dem sich Erzbischof Kardinal George William Mundelein auf den See hinausschippern lassen konnte. Das Foto rechts unten zeigt ihn 1938, im Jahr vor seinem Tod, während einer Schiffsreise zu einem Besuch im Vatikan. Fotos: Wolfgang Stüken
Mundelein-Seminary: Im Oktober Auftakt des „Centennials“
Eine Autostunde nordwestlich der US-Metropole Chicago wird ein großes Fest vorbereitet. Vor 100 Jahren, im Oktober 1921, zogen die ersten Studierenden in das vom damaligen Chicagoer Erzbischof George William Mundelein (1872-1939) errichtete und nach ihm benannte theologische Seminar im Lake County (Illinois) ein. Damals waren die ersten Bauten eines imposanten Gebäudeensembles bezugsfertig. George William Mundelein ist ein berühmter Amerikaner mit Paderborner Vorfahren. Auch der Ort des Seminars trägt seinen Namen. Der Gründer entstammte der Paderborner Familie Mündelein.
Das Logo des Jubiläumsjahres.Abbildung: Mundelein Seminary
Die Hundertjahr-Feier des Mundelein Seminary beginnt mit einem Festgottesdienst (,,Centennial Kickoff Mass“) am Sonntag, 17. Oktober um 9.30 Uhr Ortszeit. Wilton D. Gregory, der Erzbischof von Washington DC und seit 2020 Kardinal, wird diesen Gottesdienst zelebrieren. Der Apostolische Nuntius für die Vereinigten Staaten, der aus Rennes (Frankreich) stammende Erzbischof Christophe Pierre, wird eine Grußbotschaft des Papstes verlesen und den päpstlichen Segen spenden.
Kommt zum Eröffnungsgottesdienst des Jubiläums: Kardinal Wilton D. Gregory. Foto: Archdiocese Washington D.C.
Ein Jubiläumsbrunch und ein Nachmittag vielfältiger Aktivitäten auf dem Seminargelände zur Erinnerung an die 100-jährige Geschichte folgen. Dazu gehören Campus-Touren, eine Diskusisonsrunde mit heutigen Seminaristen und Lesungen zur Seminargeschichte. Kardinal Gregory war von 1994 bis 2003 Bischof der Paderborner Partnerstadt Belleville. Zuvor hatte er dem Lehrkörper des Seminars angehört. Reisegruppen des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises Paderborn-Belleville (DAFK) haben das Mundelein Seminary in den Jahren 1996 und 2014 besucht.
Mit der Gründung dieses Seminars griff George William Mundelein die Tradition einer kirchlichen Hochschule in Chicago auf, die der erste Chicagoer Bischof William J. Quarter 1844 begonnen hatte. Dessen „University of Saint Mary of the Lake“ bezog ihren Namen auf den Michigansee, an dem Chicago liegt. Diese Hochschule wurde beim großen Feuer, das 1871 in Chicago tobte, zerstört. Die alte Satzung dieser Universität wurde von Erzbischof Mundelein auf das Mundelein Seminary übertragen, das mit seinen verschiedenen theologischen Sparten heute die „University of St. Mary of the Lake“ (www.usml.edu) bildet. Mit „Lake“ ist nunmehr der große See im wasserreichen Lake County gemeint, an dem das Mundelein Seminary liegt.
Luftbild: Das Kreuz, das Solarstrom für das Seminar liefert. Foto: Mundelein Seminary
Neueste Errungenschaft dort ist ein im Dezember 2020 in Betrieb genommenes, in Form eines großen Kreuzes gestaltetes Feld aus Solarpaneelen im Norden des weitläufigen Seminargeländes. Die hier erzeugte elektrische Energie deckt 20 Prozent des Energiebedarfs des Seminars. Das große Solar-Kreuz soll noch aus sieben Kilometern Höhe zu sehen sein.
Teilansicht des Mundelein-Seminars aus der Luft. Ein Foto aus dem Jahr 1939. Unten links die Seminarkirche, dahinter das Bibliotheksgebäude und darüber das 1934 realisierte Auditorium. Auf dem Kreisel vor der Kirche steht eine Mariensäule. Von dort geht es zum Pier mit dem Säulen-Rondell, das in den See ragt. Das Gebäude ganz oben ist die mit Blick auf den See gelegene „Villa“, in der Kardinal Mundelein in der Nacht zum 2. Oktober 1939 starb. Dieser vornehme Zweitwohnsitz des Chicagoer Erzbischofs war Mount Vernon, dem Haus des ersten US-Präsidenten George Washington (1732-1799), nachempfunden. Foto: Archiv Stüken
Das Mundelein Seminary hat in den vergangenen 100 Jahren viele tausend katholische Priester ausgebildet. Es ist eine der größten theologischen Ausbildungstätten der gesamten USA. Mehr als 100 angehende Priester aus 30 Diözesen in- und außerhalb der USA werden hier zurzeit auf ihren Beruf und die Priesterweihe vorbereitet. Rund 1000 Voll- und Teilzeitstudierende streben an der University St. Mary of the Lake andere theologische Abschlüsse an.
In den ersten Wochen des Jubiläumsjahres geht eine kostbare Monstranz, die George William Mundelein dem Seminar geschenkt hat, zu Andachts- und Gebetstunden („Holy Hours“) auf Tour durch zahlreiche Pfarreien im Großraum Chicago. Erzbischof Mundelein hatte das wertvolle liturgische Schauobjekt, das mit einem Fenster zur Präsentation einer geweihten Hostie versehen ist und im Fuß sein Wappen zeigt, 1924 bei der Grundsteinlegung der Seminarkirche „Chapel of Immanulate Conception“ erstmals verwendet. Zwei Jahre später wurde diese Monstranz bei der großen Abschlussprozession des Eucharistischen Weltkongresses bestaunt und verehrt, die um das Seegelände des Mundelein-Seminars führte. 800000 Teilnehmer – eine größere Menschenmenge hat das Seminar nie wieder erlebt.
Die kostbare Monstranz mit Mundeleins Bischofswappen. Foto: Wolfgang Stüken
Hier war die Monstranz im Einsatz: Schlusstag des Eucharistischen Weltkongresses 1926 auf dem Seminargelände in Mundelein. Foto: Archiv Stüken
Einen der Höhepunkte des Jubiläumsjahres wird das vorweihnachtliche Konzert „Sounds of the Season“ bilden, das am 5. Dezember im 800 Sitzplätze bietenden Auditorium des Seminars über die Bühne geht. Der Konzertsaal ist für seine hervorragende Akustik bekannt. Hier wird der Chor des Seminars auf die Weihnachtszeit einstimmen. Dann wird auch wieder die stimmgewaltige Wurlitzer-Theater- und Radioorgel zu hören sein, die George William Mundelein für das als letztes Seminargebäude 1934 eingeweihte Auditorium stiftete. 2019 hatten an diesem jährlichen Konzertereignis erstmals auch Mary Kelling, eine Großnichte des Kardinals, und die Urgroßnichte Mary Sheehan teilgenommen. Im Jubiläumsjahr des Seminars werden sie es sicher nicht nehmen lassen, erneut den „Sounds oft he Season“ zu lauschen. Kelling und Sheehan sind Nachfahren von Margaret Katherine Eppig (1874-1955), einer jüngeren Schwester von George William Mundelein.
Im Garten des Chicagoer Bischofshauses: Mundeleins Schwester Margaret Katharine Eppig (rechts) und ihre Kinder waren zum Empfang anlässlich der Rückkehr des Erzbischofs von der Kardinalserhebung 1924 aus Rom geladen. Zeitungsausschnitt aus dem Archiv der Erzdiözese Chicago / Repro:Stüken
Aber das Programm des Seminar-Jubiläums greift auch ein brisantes kirchliches Gegenwartsthema auf. Am 6. April 1922 lädt das Mundelein Seminary zu einer „Mass of Healing“, einem Gottesdienst für und mit Opfern sexualisierter Gewalt, die durch Kleriker verübt wurde, ein. Dieser Gottesdienst in der Seminarkirche soll auch live im Internet gestreamt werden.
Den Schlussakzent des Jubiläums setzt ein großer Freiluftgottesdienst am 25. Juni 2022 auf und an dem Pier des Seminars am Seeufer. Dazu werden Katholiken aus mindestens 100 Pfarreien erwartet. Mit einem anschließenden riesigen Picknick und Konzertangeboten im Stil des traditionellen amerikanischen Ravinia-Musikfestivals soll das Hundertjährige an diesem Tag ausklingen.
Wohl kein Nachfahre Paderborner Amerika-Auswanderer hat eine so beeindruckende Karriere gemacht wie der 1872 in New York geborene George William Mundelein, Enkel des in den 1830er Jahren aus Paderborn in die USA emigrierten Tischlers Franz Theodor Mündelein. Er wurde als Erzbischof von Chicago eine der prägenden Gestalten des amerikanischen Katholizismus im 20. Jahrhundert. Erst die Weltjugendtage unter Papst Johannes Paul II. in den 1980er Jahren stellten die Besucherzahl des von Mundelein organisierten Eucharistischen Weltkongresses 1926 in Chicago in den Schatten. Dieses bis dahin weltgrößte Katholikentreffen liegt nun 95 Jahre zurück. Auch Pilger aus Paderborn nahmen daran teil. Erzbischof Mundelein, 1924 zum Kardinal ernannt, hatte dazu auch Mitglieder der Paderborner Mündelein-Familie eingeladen. Der plötzliche Tod des Architekten und Kirchenbaumeisters Franz Mündelein (1857-1926) machte die Reisepläne jedoch zunichte.
Der Kardinal in Öl: Das undatierte Bild aus dem Fundus der Seminar-Bibliothek links stammt von einem unbekannten Maler. Das gerahmte große Porträt in der Mitte stammt von dem amerikanischen Maler Nicholas R. Brewer(1857-1949). Er malte es 1916, im Jahr des Amtsantritts von George William Mundelein als Erzbischof von Chicago. Das Bild rechts malte der Paderborner Künstler Josef Hunstiger (1889-1960) im Jahre 1956 nach einer Fotografie für die Paderborner Mündelein-Familie. Fotos: Wolfgang Stüken
George William Mundelein wurde 1909 Weihbischof von Brooklyn. 1915 ernannte ihn der Papst zum dritten Erzbischof von Chicago. Als er 1924 in den Kardinalstand erhoben wurde, war das Mundelein Seminary, der Höhepunkt seines Lebenswerkes, noch im Bau. Der Gemeinderat von Area, in dem das Seminar entstand, beschloss, den Ortsnamen zu Ehren des neuen Kardinals in Mundelein zu ändern.
Als Erzbischof von Chicago gewann Mundelein mehr und mehr Einfluss in der katholischen Kirche der Vereinigten Staaten. Sein aufwendiger Lebensstil, häufig als „Going first class“ beschrieben, hätte in der katholischen Kirche des 21. Jahrhunderts vermutlich keine Chance mehr. In den USA der 1920er und 1930er Jahre war sein Leitmotiv, das sich als „Vom Feinsten bitte“ interpretieren lässt, jedoch ein äußerst erfolgreicher Weg, gut betuchte Christen (keineswegs nur Katholiken) als zahlungskräftige Sponsoren zu gewinnen. In dem Land, das keine Kirchensteuer kennt, unterstützten sie mit hohen bis riesigen Geldsummen die ehrgeizigen Projekte des prunkenden Kardinals – so auch den Bau des Seminars in Mundelein. Keine Frage, warum er als erster US-Kardinal westlich der Appalachen auch als „Prince of the West“ charakterisiert wurde. Nicht nur in Chicago wurde sein Wahlspruch als Bischof „Dominus adjutor meus“ (Gott ist mein Helfer) gern mit einem Augenzwinkern als „Gott ist mein Assistent“ übersetzt. Nach seinem Tod 1939 schrieb das Time-Magazine in einem Nachruf, Mundelein sei einer der erfolgreichsten Geldbeschaffer der gesamten katholischen Kirche gewesen.
Jesus ist dem Krippenalter entwachsen. Da geht vor ihm und seiner Mutter der einen Kelch darreichende Erzbischof von Chicago in die Knie. Seine Mitra hat er vor Maria auf den Boden gestellt. Diese Karte ließ George William Mundelein nicht ganz unbescheiden für seinen Weihnachts- und Neujahrsgruß 1920/21 malen und drucken. Abbildung: Archiv der Erzdiözese Chicago / Repro:Stüken
Der Kirchenfürst Mundelein war zum Beispiel aber auch ein großer Förderer von Bildung für Frauen. Das Mundelein-College, für das er ein damals, direkt am Michigan-See gelegen, ein weithin sichtbares Hochhaus im Norden von Chicago bauen ließ, steht für ein wegweisendes Kapitel höherer Frauenbildung der römisch-katholischen Kirche in den USA. Seit 1991 gehört das Hochhaus zum „Lake Shore Campus“ der angesehehen Chicagoer Loyola-Universität.
Aus Anlass seines 25-jährigen Bischofsjubiläums 1934 ließ sich George William Mundelein auf einem Kirchenfenster verewigen. Die Chicagoer Pfarrei St. Jerome, heute eine Spanisch sprechende Gemeinde, gab das Motiv einer Priesterweihe im Mundelein Seminary bei einer Chicagoer Glaskunstwerkstatt in Auftrag. Foto: Wolfgang Stüken
Zwei Frauen diesseits und jenseits des Atlantiks, die eine Menge für das Wachhalten der Erinnerung an Kardinal Mundelein getan haben, können das Hundertjährige des Seminars nicht mehr erleben: Es sind die Paderbornerin Dr. Marianne Mündelein, geb. Bußmann, die 1926 geborene Matriarchin der Paderborner Mündelein-Familie, und Lorraine Eustice Olley, langjährige Bibliothekarin des Mundelein-Seminars (Feehan Memorial Library und McEssy Theological Resource Center). Beide Frauen sind im Jahre 2016 gestorben.
Im Lesesaal der Bibliothekserweiterung des Seminars: Bibliothekarin Lorraine Eustice Olley mit einem Foto der Paderbornerin Dr. Marianne Mündelein und einem handgeschriebenen Gruß aus Paderborn zum 75. Todestag von Kardinal Mundelein 2014. Marianne Mündelein zeigt auf dem Foto ein soeben erschienenes Buch über das Mundelein-Seminary. Foto: Wolfgang Stüken
30 Millionen Pfund Mehl, die per Schiff nach Hamburg gelangten, hatten die katholischen Pfarreien Chicagos 1921 auf Anregung Erzbischofs Mundeleins für die nach dem I. Weltkrieg notleidende Bevölkerung in Deutschland und Österreich gespendet. Als Dank dafür schickte der Kölner Kardinal Karl-Joseph Schulte, der von 1910 bis 1920 Bischof von Paderborn war, Mundelein 1922 ein vergoldetes Behältnis mit Reliquien der beiden Kölner Heiligen Maternus und Engelbertus. Dieses Geschenk war 2014 anlässlich des 75. Todestages von Kardinal Mundelein als einer der Schätze in der von Natalie Jordan arrangierten Ausstellung „Mundelein’s Treasures“ im Mundelein-Seminar zu sehen. Das Foto zeigt das Reliquiar im geöffneten (großes Bild) und geschlossenen Zustand (kleines Foto links). Rechts Kardinal Schulte. Fotos: Wolfgang Stüken
Das von DAFK-Ehrenmitglied Friedrich Schütte (Löhne) im Jahr 2003 gegründete „Amerikanetz – Netzwerk westfälische Amerika-Auswanderung seit dem 19. Jahrhundert“ hat anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Ortes Mundelein im Jahre 2009 den Beitrag „Wolfgang Stüken: Das kleine große Dorf Mundelein und sein berühmter Namensgeber“ veröffentlicht (Stand 2010). Seit Abschaltung der Webseite des Amerikanetzes 2018 wechselten die meisten der von den Netzwerkern veröffentlichten Beiträge auf die Webseite der Arbeitsgruppe Familienforschung Kreis Herford. Sie sind dort in der Rubrik „Beiträge“ zu finden, darunter auch der Mundelein-Artikel: https://hf-gen.de/amerikanetz/
Die Herforder Arbeitsgruppe ist eine Regionalgruppe des Arbeitskreises Familienforschung Osnabrück (OSFA). Beide zählten zu den eifrigen Nutzern und Unterstützern von Schüttes Amerikanetz.
Der Mundelein-Beitrag schildert unter anderem, was der Kardinal und der nach ihm benannte Ort mit einem Feuerwehrauto zu tun haben, dass Mundelein und Gäste eines festlichen Banketts kurz nach der Übernahme des Amtes als Chicagoer Erzbischof beinahe Opfer eines Giftanschlags geworden wäre und welches weltweite Echo seine gegen Hitler gerichtete „Paperhanger-Speech“ im Jahre 1937 auslöste.
– Im 1994 erschienenen Band 1 der vom DAFK herausgegebenen Buchreihe „Auf nach Amerika!“ hat Dr. Otmar Allendorf den Beitrag „George William Mundelein (1872-1939): Kardinalerzbischof von Chicago – Seine Vorfahren kommen aus der Diözese Paderborn“ veröffentlicht (S. 107-115).
– Der Artikel von Wolfgang Stüken „Der Mann, der Hitler einen schlechten Tapezierer nannte“ in „Die Warte“, Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter, Nr. 153/Ostern 2012, S. 8-11) liefert weitere Erkenntnisse zur berühmten „Paperhanger-Speech“ von 1937.
– Der Beitrag von Wolfgang Stüken „Er war einer der ,Gestrichenen‘“ in „Die Warte“, Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter, Nr. 169/Ostern 2016, S. 13-15, schildert, dass die „Paperhanger-Speech“ von 1937 zur Aberkennung der 1923 verliehenen Ehrendoktorwürde für Erzbischof Mundelein durch die damalige Universität Breslau führte und warum Mundelein bis zu seinem Tod 1939 vermutlich gar nichts über diesen Schritt der Nationalsozialisten erfahren hat. Wolfgang Stüken
(Mit diesem Beitrag verabschiedet sich der Webmaster des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises in den Ruhestand.)
Künstlerische Reise führt auch in die US-Partnerstadt Belleville
Die Staatsstraße 159, die durch den Süden des US-Bundesstaates Illinois verläuft, führt auch durch die Paderborner Partnerstadt Belleville. Die hölzernen Leitungsmasten für Strom- und Telefon und die vielen ausgebesserten Fahrbahnschäden verdeutlichen den enormen Sanierungsbedarf der öffentlichen Infrastruktur in den USA.Wolfgang Brenner drückte hier im Jahr 2011 auf den Auslöser.
Reisen, Begegnung, Austausch sind seit Monaten nur eingeschränkt möglich. Eine neue Ausstellung im Gewölbesaal im Neuhäuser Schlosspark erlaubt ab Freitagabend, 20. August, zumindest eine Kurzreise in drei Paderborner Partnerstädte. Allerdings: Es gilt Maskenpflicht und ab diesem Tag außerdem die neue NRW-Coronaschutzverordnung. Diese schreibt für Veranstaltungen in Innenräumen für alle Personen, die weder vollständig geimpft noch genesen sind, die Vorlage eines negativen Antigen-Schnelltests oder eines negativen PCR-Tests vor, der nicht älter als 48 Stunden ist.
Fotografien von Wolfgang Brenner führen nach Przemysl (Partnerstadt seit 1993) und Belleville (Partnerstadt seit 1990). Es sind Momentaufnahmen und Eindrücke beim Gang durch die Stadt, Szenen aus dem Alltag, die das Leben und die Wirklichkeiten im Stadtgefüge zeigen. Nicht der touristische Blick auf Sehenswürdigkeiten leitet Wolfgang Brenner bei seinen Fotoarbeiten, sondern sein Gespür, Eigenarten und besondere Konstellationen zu entdecken.
Suat Özdemir verarbeitet das historische Bildgedächtnis aus Bolton in einem großen Raumgemälde, das an die Geschichte der Stadt und ihre Tradition erinnert. Ausgangspunkt für seine Arbeit waren Fotografien, die er malerisch umgesetzt hat. Die Malerei erweitert er zu einer Materialcollage. Das Thema wird stofflich greifbar.
„Ich freue mich, dass die beiden Künstler ihre Annäherungen an die Partnerstädte Przemysl, Belleville und Bolton hier zeigen. Eigentlich war geplant, in diesem Jahr künstlerische Arbeiten aus Belleville auszustellen. Aber coronabedingt war dieser Austausch nicht möglich,“ erklärte Dr. Andrea Brockmann, Leiterin der städtischen Museen und Galerien und Organisatorin von „Begegnungen. Reise in die Partnerstädte“, das diesjährige Konzept der Partnerstadt-Ausstellung.
Gefragter Künstler: Gerade erst hat Wolfgang Brenner mit seiner Partnerin Dagmar Venus eine Galerie-Ausstellung im kroatischen Nin bestritten. Beide Künstler stellen derzeit auch in zwei getrennten Ausstellungen im Bad Driburger Stadtteil Dringenberg aus. Brenners Siebdrucke und Mixed-Media-Arbeiten sind noch bis zum 29. August in der dortigen Burg zu sehen. In Paderborn ist/war Brenner an der von sechs Fotografinnen und Fotografen gestalteten Fotoausstellung „By Drive“ zur ehemaligen britischen Alanbrooke-Kaserne an der Elsener Straße beteiligt. Die Fotos waren am historischen Zaun der Kaserne befestigt. Doch ein großer Teil der mehr als 60 Werke wurde Anfang Juli nachts von dreisten Dieben entwendet. In Brenners „galerie @19“ an der Elsener Straße 19 wollen die sechs Fotografen diese Ausstellung mit neu ausgedruckten Motiven ab 15. Oktober in kleinerem Umfang erneut präsentieren.Viele Paderborner kennen Wolfgang Brenner auch durch seine Druck- und Siebdruckkurse bzw. als Dozent mancher Paderborner Sommerakademien.
Es gibt vermutlich keinen Künstler, der eine so intensive Beziehung zu einer der sechs Paderborner Partnerstädte pflegt wie der 64-jährige Wolfgang Brenner ins polnische Przemysl. Drei Einzelausstellungen hat der Maler, Grafiker und Mixedmedia-Künstler in der im äußersten Südosten des Nachbarlandes gelegenen Stadt am Fluss San bereits gestaltet, und an nicht weniger als 15 Gemeinschaftsausstellungen im Karpatenvorland war er schon beteiligt. Außerdem hat er dort schon mehrere Workshops mit Jugendlichen durchgeführt. Zwei Jahrzehnte besteht diese künstlerische Verbindung in diesem Jahr.
Keine Frage, dass unter den fotografischen Impressionen Brenners in der Ausstellung im Gewölbesaal im Schlosspark Arbeiten aus Przemysl dominieren. Aber unter den 39 Fotografien befinden sich auch nicht weniger als neun Motive aus der US-Partnerstadt Belleville in Illinois. Dort nahm Brenner 2011, unterstützt vom Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis, mit einer Auswahl seiner Collagen am großen Kunstfestival „Art on the Square“ teil, das jährlich im Mai (2021 ausnahmsweise wegen der Corona-Pandemie erst im Oktober) viele tausend Besucher aus einem großen Umkreis nach Belleville lockt.
Wolfgang Brenner führte in seinem weißen Ausstellungszelt am Kreisel der Hauptkreuzung „Public Square“ eine Menge Gespräche, denn als Paderborner Kulturbotschafter zählte er 2011 bei der Belleviller Kunstschau zu den Künstlern mit der weitesten Anreise. Und außerdem kam er aus „Good old Germany“, was in der Stadt, in der im 19. Jahrhundert zahlreiche deutsche Einwanderer eine neue Heimat fanden, stets Garant für interessante Gespräche und neugierige Fragen ist. Aber auch in künstlerischer Hinsicht konnte Wolfgang Brenner die Teilnahme an „Art on the Square“ als Erfolg verbuchen. Der dortige Rotary-Club zeichnete ihn für seinen Ausstellungsbeitrag mit dem „Belleville Art Award“ aus. Außerhalb der Öffnungszeiten des Kunstfestivals fand Brenner damals auch Zeit, zur Kamera zu greifen und in Belleville auf Motivsuche zu gehen. Einige Ergebnisse werden im Gewölbesaal zu sehen sein.
Bei allen Arbeiten Brenners, die während der „Reise in die Partnerstädte“ zu sehen sind, handelt es sich um Fotodrucke auf 100 mal 75 Zentimeter großen Alu-Dibond-Platten.
Die Ausstellung beginnt am Freitag mit einem „Soft Opening“ von 19 bis 21 Uhr. Die Künstler sind anwesend und geben eine Erläuterung zu ihren Werken. Anschließend ist die Ausstellung bis zum 3. September zu sehen, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr und dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. IP/Wolfgang Stüken
Zu Libori 2022 Treffen aller sechs Partnerstädte geplant
Wenn im Sommer 2022 nach hoffentlich überwundener Corona-Pandemie wieder in großem Rahmen Libori eingeläutet werden kann, will Bürgermeister Michael Dreier Gäste aus allen sechs Partnerstädten einladen, um in Paderborn ausgiebig das Jubiläum „500 Jahre Libori-Kirmes“ zu feiern. Das kündigte Dreier am Vorabend von Libori 2021 an. Da das diesjährige „Libori light“ wegen Corona ohne internationale Gäste über die Bühne gehen muss, hatten sich Dreier und seine Mitarbeiterinnen aus dem Bürgermeister-Referat der Stadt eine besondere Begegnung ausgedacht. Erstmals waren alle Paderborner Partnerstädte zu einem digitalen Treffen versammelt – im Rahmen einer aus dem historischen Rathaussaal geschalteten Zoom-Konferenz. In jeder Partnerstadt mit am Tisch: Ein deutschkundiger Übersetzer.
Amerikafreunde (und nicht nur sie) finden am Pottmarkt-Stand der Hermann Van de Linde KG (Issum) eine reiche Auswahl an Gewürzen für ein schmackhaft-raffiniertes Barbecue. Der Stand befindet sich direkt am nördlichen Schild der „Belleville-Promenade“. Seit 1954 gibt es diesen Händler auf Libori. Tochter Jenny Kaschel (kleines Foto) ist seit elf Jahren dabei und kennt sich mit den 350 verschiedenen Gewürzen, Gewürzmischungen, Kräutern und Tees bestens aus. Foto: Wolfgang Stüken
Dreier nutzte diese Premiere, um der neuen Belleviller Bürgermeisterin Patty Gregory in persönlichen Worten noch einmal zu ihrem vor gut zwei Monaten erfolgten Amtsantritt zu gratulieren. Belleville-Paderborn – das war die größte Entfernung, die es an diesem Abend per Live-Stream zu überbrücken galt. Im Rathaussaal, wohin die Bilder auf großer Leinwand übertragen wurden, waren Vertreter aller Paderborner Partnerschafts-Vereinigungen dabei. Über die Einladung zu Libori 2022 hinaus wartete Dreier mit der Ankündigung auf, im kommenden Jahr nach Möglichkeit allen Partnerstädten einen Besuch abzustatten. Neben Belleville (US-Bundesstaat Illinois) sind dies Le Mans (Frankreich), Bolton (England), Pamplona (Spanien), Przemysl (Polen) und Debrecen (Ungarn).
Dass dieses digitale Treffen mehr als drei Stunden dauerte, hatte auch damit zu tun, dass die Stadt die Detmolder Brauerei Strate als Sponsor gewonnen hatte. Probierpakete mit einer Auswahl der mehr als zwei Dutzend Bier-Spezialitäten, die in Detmold hergestellt werden, hatten rechtzeitig zu diesem internationalen Bier-Tasting alle Partnerstädte erreicht, und das „Plopp“ beim Öffnen der Bügelflaschen erklang in einem vielstimmigen Chor. Mit einem aus Belgien, dem Land vieler Biere, stammenden Debrecener Partnerschaftsfreund war für noch mehr internationales Flair gesorgt. Die Bierprobe wurde live aus der Detmolder Brauerei moderiert. Später schaltete sich in der Zoom-Konferenz auch die gut gelaunte Braumeisterin Friederike Strate dazu. Für eine amerikanische Note bei dieser internationalen Bierprobe sorgte das „Detmolder Bourbon Chardonnay“, ein Craftbier aus der lippischen Hauptstadt, das durch eine mehrmonatige Lagerung in echten Bourbon-Whisky-Fässern seine besondere Geschmacknote erhält. Dreimal in Folge ist es in einem internationalen Qualitätswettbewerb von Chefköchen und Bier-Sommeliers in einer Blindverkostung mit der Bestnote ausgezeichnet worden. Damit sicherten sich die Detmolder den selten verliehenen „Crystal Award“.
Die gut eine Woche vor Libori, am 16. Juli, offiziell eingeweihte „Belleville-Promenade“ ist während der Festwoche eine gefragte Adresse. Während der ersten beiden Liboritage, an denen noch die landesweitere Inzidenzstufe „0“ und keine Zugangsbeschränkung galt, war die Fußwegverbindung durch den Haxthausen-Garten im Mittleren Paderquellgebiet eine viel genutzte Verbindung aus der Innenstadt zum neuntägigen Kirmespark von „Libori light“ auf dem westlichen Maspernplatz. Mit 44 Vergnügungsbetrieben bietet dieser Park im Corona-Sommer 2021 besonders auch für Familien mit Kindern eine willkommene Abwechslung. Außerdem ist die „Belleville-Promenade“ einer der beiden Standorte des vom Dom- und Marktplatz verlagerten traditionsreichen Pottmarktes (täglich 11 bis 20.30 Uhr, insgesamt 42 Stände). Ein Teil des Marktes ist im Paderquellgebiet mit dem Eingang an der Brücke gegenüber der Kaiser-Karls-Residenz zu finden, der zweite Teil in der Nähe der Paderhalle im Haxthausenpark.
Galt an den beiden Tagen des Libori-Eröffnungswochenendes ein ungehinderter Marktzugang über die Belleville-Promenade mit unbegrenzter Besucherzahl und Ausgang zum Maspernplatz oder über einen Rundkurs durch den Haxthausengarten zurück zur Mühlenstraße, gilt seit Anwendung der Inzidenzstufe I (Masken- und Registrierungspflicht) der Eingang nahe der benachbarten Reineke-Mühle als Zugang mit Einschecken per Luca-App oder Listeneintrag. Von dort führt Querverbindung mit wenigen Schritten auf die „Belleville-Promenade“. Wer über den Pottmarkt-Rundkurs im Haxthausen-Garten schlendert, kann auch einen Blick auf die kleine „Haxthausen-Quelle“ der Pader werfen. Wegen der Landes-Inzidenzstufe 1 dürfen sich gleichzeitig maximal 400 Besucher in diesem Teil des Pottmarktes aufhalten.
Diesem Teil des Pottmarktes bescheinigte die Neue Westfälische eine „ganz eigene, gemütliche Bummel-Atmosphäre. Statt sich eng an eng durch schmale Gassen zu schieben, wird entspannt (und in vorgeschriebener Laufrichtung) von Stand zu Stand flaniert, während im Hintergrund das Plätschern der Pader zu hören und bunte Blumen zu sehen sind. Stress ist auf diesem Rundkurs im Grünen wahrlich ein Fremdwort.“
Allerdings: Wegen fehlender Hinweisschilder an der Mühlenstraße zu diesem Pottmarkt-Eingang war für so manche Liboribesucher zunächst ein wenig detektivischer Spürsinn gefragt.
Für den Kirmes-Park auf dem Maspernplatz gelten ab Mittwoch, 28. Juli, wieder Lockerungen: Nun dürfen maximal 1.200 getestete Personen den Kirmesplatz betreten – plus 3.800 Personen, die vollständig geimpft oder genesen sind. Es gilt weiter in den Warteschlangen und an den Geschäften selbst eine Maskenpflicht.
Während das Jubiläum „Libori 500. Vom Magdalenenmarkt zu Großlibori 1521 bis 2021“ wegen Corona erst im kommenden Jahr im großen Rahmen – laut Ankündigung des Bürgermeisters mit allen Partnerstädten – gefeiert werden soll, läuft im Stadtmuseum Am Abdinghof bereits die gleichnamige Ausstellung – und das bis zum 30. Januar 2022. Im Sommer 2022 soll dazu ein ausführlicher Bildband erscheinen. Wolfgang Stüken
Der Moment der Enthüllung des Promenaden-Schildes: Stellvertretender Bürgermeister Dietrich Honervogt (rechts) in Aktion. Links neben ihm DAFK-Präsident Kurt-Heiner Sprenkamp. Reporter Jörn Hannemann war sogar auf eine Leiter geklettert, um mit seiner Kamera möglichst nahe an das Objekt der Feier zu rücken. Foto: Stüken
Der perlende Sekt, den sich die gut gelaunte Runde munden ließ, war halbtrocken, das Wetter zur Freude und Überraschung aller nach ausgesprochen feuchten Vortagen sogar völlig trocken. Mehr als 40 Amerikafreunde waren dabei, als Paderborns stellvertretender Bürgermeister Dietrich Honervogt, assistiert von DAFK-Präsident Kurt-Heiner Sprenkamp, mit einem hölzernen Stab die Stoffhülle von Paderborns jüngstem Straßenschild zogen: Prost Belleville-Promenade! Das war der Höhepunkt des diesjährigen Dogwood-Festes, dessen Termin wegen der Corona-Pandemie vom Frühling in den Sommer gerutscht war.
Mit dieser Promenade werde das transatlantische Bündnis zwischen Paderborn und Belleville „auch im öffentlichen Raum sichtbar“, schrieb das Westfälische Volksblatt (WV). Außerdem werde damit die Verbundenheit „auch im offiziellen Straßenverzeichnis festgeschrieben“.
Der schöne Fußweg, der nach der schönen Partnerstadt benannt ist, verbindet die Paderhalle am Maspernplatz mit der Mühlenstraße und führt durch den Haxthausen-Garten im neu gestalteten Mittleren Paderquellgebiet. Dieses Areal zähle „zu den schönsten Orten der Stadt“, schwärmte das WV.
Dass er ein begeisterter Freund von Deutschlands kürzestem Fluss und zugleich ein ausgezeichneter Kenner der Pader ist, bewies Dietrich Honervogt vor der Enthüllung des Promenadenschildes bei einer ausgiebigen Führung für den Freundeskreis durch das Paderquellgebiet. Am Funktionsmodell der historischen Wasserkunst erklärte der Bürgermeister-Vize, schon Leonardo da Vinci (1452-1519) habe sich einst mit der Frage befasst, wie Wasser von einem tiefer gelegenen Ort zu einem höher gelegenen Punkt befördert werden kann. In Paderborn bestand die Kunst darin, Wasser der Börnepader durch eine hölzerne Leitung hinauf in den Kump des heutigen Liborius-Brunnens am Kamp zu pumpen. Angesichts der mehr als 200 Paderquellen bekannte Honervogt für die Paderborner: „Wir wohnen auf der Pader“. Wenn sie auch als Deutschlands kürzester Fluss bezeichnet werde – kein anderer deutscher Fluss könne für seinen Quellbereich eine Schüttung von „5000 bis 6000 Litern pro Sekunde“ vorweisen wie die Pader, stellte Honervogt heraus.
Auftakt der Führung durch das Paderquellgebiet. Die Teilnehmer am Fuß einer Treppe zum Abdinghof. Foto: Stüken
Der Ausschuss für Bauen, Planen und Umwelt des Paderborner Rates hatte die vom DAFK angeregte Benennung einer Straße, eines Weges oder Platzes nach der US-Partnerstadt Belleville auf Vorschlag des Paderborner Heimatvereins am 20. August 2020 einstimmig beschlossen. Bereits einige Wochen später installierte das städtische Straßen- und Brückenbauamt die Schilder der neuen Promenade, einer viel frequentierten Fußwegverbindung zwischen Maspernplatz und Innenstadt. Nur eingeweiht werden konnte die „Belleville-Promenade“ bislang nicht, da die Corona-Pandemie lange keine größeren Menschenansammlungen erlaubte. Nun war es endlich so weit. Gern hätte der DAFK auch eine Delegation aus der Partnerstadt zur Einweihung der Promenade begrüßt. Das war wegen Corona nicht möglich.
Ein Dogwood-Strauch für den Haxthausen-Garten an der „Belleville-Promenade“. Kurt-Heiner Sprenkamp übergab den kleinen Hartriegel, der in Amerika Dogwood heißt und Namensgeber des jährlichen DAFK-Frühlingsfestes ist, als Geschenk an stellvertretenden Bürgermeister Dietrich Honervogt. Die diesjährige Blütezeit des Dogwood ist eigentlich vorüber. Aber die DAFK-Mitglieder Elsmarie Beck und ihr Ehemann Manfred (links) hatten im eigenen Garten noch zwei Blüten entdeckt und mitgebracht. Foto: Stüken
Schon als der DAFK im Herbst 2019 in einem Schreiben an den Heimatverein den Wunsch äußerte, eine Straße oder einen Weg der Innenstadt nach der US-Partnerstadt zu benennen, hatte der Vorstand den zwischen Paderhalle und Mühlenstraße gelegenen Haxthausen-Garten im Mittleren Paderquellgebiet im Blick. Denn von hier, dem Standort des ehemaligen Haxthausenhofes, könnte es eine historische Verbindung nach Belleville gegeben haben. Das war seinerzeit allerdings nur eine Vermutung. Der aus Frankfurt am Main stammende und nach Belleville geflüchtete berühmte Deutschamerikaner Gustav Körner (1809-1896), schrieb in seinen Lebenserinnerungen von den „aus Westfalen“ stammenden Auswanderern Hermann und Heinrich von Haxthausen, die in den 1830er Jahren – wie er selbst zunächst auch – in der Siedlung „lateinischer Bauern“ wenige Meilen östlich von Belleville ansässig geworden waren.
„Lateinische Bauern“? Das waren deutsche Emigranten, die an hiesigen Unis studiert und sich als Mediziner oder Juristen meist aus politischen Gründen entschlossen hatten, auszuwandern und ihr Glück als Farmer in der „Neuen Welt“ zu suchen.
Rechtzeitig zur Einweihung der „Belleville-Promenade“ hat der Paderborner Historiker Dr. Rainer Decker die Geschichte des Paderborner Haxthausenhofes und seiner Bewohner erforscht und darüber in der Osterausgabe (Heft Nr. 189/2021) der Heimatzeitschrift „Die Warte“ berichtet.
Die beiden Amerika-Auswanderer Heinrich (1801-184) und Hermann (1807-1864) von Haxthausen, beide gelernte Juristen, so fand der auch genealogisch versierte Decker heraus, sind tatsächlich 1835 von diesem Paderborner Hof – Hermann wurde auch hier geboren – nach Amerika aufgebrochen. Sie nahmen vermutlich von Paderborn auch mehrere Bedienstete mit. Heinrich und Hermann von Haxthausen dürften damit zu den ersten Emigranten zählen, die in der Nähe der heutigen Partnerstadt ansässig wurden. Die Neue Westfälische(NW) nannte die „Belleville-Promenade“ daher eine „Erinnerung an die ersten Auswanderer“.
Heinrich und Hermann von Haxthausen hielt es allerdings nicht für längere Zeit in Illinois. Sie hatten nicht die Kraft und Ausdauer, in der Prärie eine Farm aufzubauen und zu betreiben. Die adligen Herren waren zwar hoch gebildet, aber völlig unpraktisch veranlagt. Es mangelte ihnen auch an wirtschaftlichem Sachverstand. Sie verzettelten sich schließlich, als sie gleichzeitig auch noch eine Sägemühle und eine Brennerei betreiben wollten. Hermann von Haxthausen kehrte 1843 oder Anfang 1844 nach Paderborn zurück, wo er ab Februar 1844 sein Referendariat am damaligen Oberlandesgericht fortsetzen konnte. Sein älterer Bruder Heinrich veräußerte Ende der 1830er Jahre seine Farm an seinen Knecht, weil der Lohn, dem er diesem schuldete, fast den Kaufwert der Farm erreichte. Heinrich zog nach St. Louis, wo er eine Gastwirtschaft eröffnete und 1840 eine Frau aus dem Hannoverschen heiratete. Die Ehe scheiterte. Nach der Trennung kehrte auch Heinrich 1845 nach Paderborn zurück. Er starb im Dezember 1846 auf dem Haxthausenhof.
Ein früher Belleville-Besucher: Franz Löher (1818-1892) besuchte als Reiseschriftsteller 1846/1847 die heutige Partnerstadt. Auch in der Nähe bei den „lateinischen Bauern“ sah er sich um. Er nannte sie „Gentlemen Farmer“. Foto: Archiv Stüken
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der 1818 im Schildern geborene Fleischersohn Franz Löher, ebenfalls angehender Jurist, seit wenigen Monaten in den USA, um hier als junger Reiseschriftsteller 1846 und 1847 Ansiedlungen deutscher Einwanderer zu erkunden. Löher schrieb damals über den Bundesstaat Illinois: „Der von Deutschen am meisten bevölkerte Bezirk ist der von St. Clair mit der Hauptstadt Belleville, in welcher deutsches Leben einen schönen Mittelpunkt gefunden hat.“ Nachdem Löher im Juli 1947 die Arbeit an diesem Buch abgeschlossen hatte, durchstreifte er ein weiteres Mal drei Monate lang die Vereinigten Staaten und kam erneut in die „schöne Stadt“ im Süden von Illinois, die nach frühen französischen Siedlern benannt ist. „Diese lebhafte und freundliche Stadt ist vorzugsweise von gebildeten Deutschen bewohnt und bietet unsern Landsleuten mehr Annehmlichkeiten, als irgend eine ähnliche Stadt in Amerika“, schrieb Löher über die Stadt, nach der nun, fast 175 Jahre später, eine Promenade benannt wurde.
Vor diesem zweiten Belleville-Besuch stattete Franz Löher auch den „Lateinischen Bauern“ im Tal von Shiloh einen Besuch ab. Es fünf bis acht Meilen östlich von Belleville. Löher nannte diese Auswanderer „Gentleman Farmer“. Er schrieb über sie einen Beitrag seiner Reiseskizzen „Land und Leute in der alten und neuen Welt“, die 1855 in Göttingen und New York erschienen.
Bereits 1837 war über die Siedlung der „Lateinischen Bauern“ ein längerer Artikel in der in St. Louis herausgegebenen, aber in Heidelberg gedruckten Zeitschrift „Das Westland“ erschienen. Auf der im „Westland“ angefügten „Plankarte der Deutschen Niederlassung im St. Clair Bezirk in Illinois, östlich von Belleville“ ist eine Farm mit dem deutschen Namen „Haxthausen“ verzeichnet. Löher schreibt in einem Bericht über die „Gentlemen Farmer“ von der „Farm eines mir schon von Deutschland her bekannten Barons“. Gemeint war zweifellos Heinrich von Haxthausen, der inzwischen als Rückkehrer zum Haxthausenhof in Paderborn gestorben war. Dessen Namen nannte Löher nicht, auch nicht den gemeinsamen Herkunftsort Paderborn. Aber in der Siedlung der Latin Farmer sorgte Heinrich von Haxthausen auch 1847 immer noch für Gesprächsstoff. Nicht nur wenigen seines wirtschaftlichen Misserfolges. Er muss ein ausgesprochen kurzsichtiger Mensch gewesen sein. Als er auf die Jagd ging, erlegte er die im Wald stehende Kuh eines Nachbarn, die er für ein stattliches Stück Wild hielt. Auf diese Weise verlor auch ein zahmer Truthahn sein Leben, der auf dem Gartenzaun eines anderen Nachbarn hockte.
Rainer Decker fand heraus, dass die Haxthausen-Brüder sich einer Auswanderergruppe aus dem Hochstift anschlossen, die der aus Lichtenau stammende preußische Kantonsbeamte Nikolaus Hesse (1794-1868) um sich geschart hatte. Im Frühjahr 1835 begann in Beverungen die Fahrt der Auswanderer nach Bremen mit einem ziemlich maroden Weserschiff. Die Gruppe zählte an die 90 Personen – alle aus dem Bereich des Hochstiftes. Die Zahl verdeutlicht, wie groß damals der Drang war, in Amerika ein neues, besseres Leben zu suchen. Und diese Auswanderung zeigt, wie gefährlich die große Reise werden konnte. Schon in Höxter hätte der Weserkahn um Haaresbreite einen Pfeiler der Weserbrücke gerammt. Dies lag vor allem daran, dass der Kapitän ständig unter Alkohol stand. Am 21. Mai begann in Bremen die Überfahrt mit dem Dreimastsegler „Jefferson“. Der erreichte mit 160 Passagieren nach 45 Reisetagen am 4. Juli Baltimore. Die Gruppe von Nikolaus Hesse teilte sich. Etwa 40 Personen, darunter die Familienmitglieder Hesses und die Haxthausen-Brüder, erreichten am 9. August über den Ohio und den Mississippi St. Louis (Missouri).
In Briefen von Auswanderern, die mit der „Jefferson“ nach Amerika reisten und auf die Rainer Decker gestoßen ist, ist auch von den Brüdern Haxthausen die Rede. Hermann von Haxthausen wird als gutmütig, friedliebend und hilfsbereit beschrieben, der ältere Bruder Heinrich dagegen als bizarre Persönlichkeit, die es liebte, sich und andere unglücklich zu machen. Decker sagt, heute würde man bei Heinrich von Haxthausen von völlig fehlender Teamfähigkeit sprechen. Und ein Geizhals war er auch. Er nervte die Mitreisenden zum Beispiel mit ständigem Jammern über die Höhe des Reisepreises.
Schöner Zufall: Während der DAFK in Paderborn die „Belleville Promenade“ einweihte, ist in Ilinois die Historische Gesellschaft des Kreises St. Clair, die ihren Sitz in Belleville hat, dabei im kleineren Nachbarort Shiloh eine Erinnerungstafel für und an die „Latin Farmer“ aufzustellen. Mit einer großen Abbildung jenes Planes von 1837, auf dem auch der Name Haxthausen zu sehen ist. Dieses „Latin Famers Historical Sign“ sollte eigentlich schon am 19. Juni in einem neu angelegten kleinen Park seiner Bestimmung übergeben werden. Doch der Termin ist verschoben worden, weil die Parkanlage nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Der Ort Shiloh liegt auf dem Gebiet des einstigen Settlements der deutschen Farmer.
• Über die Siedlung der „Lateinischen Farmer“ ist auch ein ausführlicher Beitrag im dritten Band DAFK-Buchreihe „Auf nach Amerika!“ zu lesen (Herausgeber: Bernd Boer, Otmar Allendorf, Heinz Marxkors und Wolfgang Stüken). Er trägt den Titel: „Ein merkwürdig Stück deutsches Leben“.
• Über die Geschichte des Haxthausenhofes informiert auch eine bebilderte Pulttafel des Paderborner Verkehrsvereins, die an der Belleville-Promenade nahe am Zugang von der Mühlenstraße steht. Sie ist auch auf der Internetseite www.zeitreise-paderborn.de zu finden. Wolfgang Stüken